Gesprächsfähigkeit
ist eine zentrale Qualität der Kommunikation,
die in der Schule von allen daran Beteiligten, den Schüler/innen
wie den Lehrer/innen, möglichst weitgehend beherrscht werden
sollte.
Der Sprechwissenschaftler Helmut Geißner hat eine klare
Definition vorgelegt:
"Gesprächsfähig
ist, wer
im situativ gesteuerten, personengebundenen, sprachbezogenen, formbestimmten,
leibhaft vollzogenen Miteinandersprechen - als Sprecher wie als
Hörer - Sinn
so zu konstituieren vermag, dass damit das Ziel verwirklicht wird,
etwas zur gemeinsamen Sache zu machen,
der zugleich imstand ist, sich im Miteinandersprechen und die im
Miteinandersprechen gemeinsam
gemachte Sache zu verantworten.
" (Geißner:
1981, S. 129)
Lehren und Lernen
vollzieht sich immer in der Interaktion der Schüler/innen
untereinander und der mit den Lehrer/innen. Alle gestalten den
Gesprächsprozess mit, verständigen sich verbal und nonverbal,
auch wenn die Rollenverteilung überwiegend asymmetrisch genannt
werden kann. Wesentlich ist es deshalb, Gesprächsprozesse
steuer- und durchschaubar zu machen und bewusst zu strukturieren.
Innerhalb der schulischen Lern- und Lehrprozesse gibt es eine
Vielzahl von Gesprächsformen, die jeweils eigene Merkmale
haben. In den folgenden Teilen des Lernprogramms werden wir Ihnen
die wichtigsten dieser Gesprächsformen vorstellen - theoretisch
und auch in Beispielen. Es gibt dann auch Fragen, Übungen
und 'Drehbücher' zu den verschiedenen Typen.
Gutes Verstehen im
Gespräch hängt ab von
folgendem Verhalten:
- dem genauem Ausdruck und gemeinsamen Verständigungsmitteln,
- davon, dass die Partner/innen über
das Gleiche sprechen und nicht Verschiedenes meinen,
- davon, dass beide bereit sind, die andere
Person zu akzeptieren und deren Meinung ernst zu nehmen,
- davon, dass alle versuchen, nicht zu viel
in einem Beitrag zu sagen, da sonst die anderen nur verwirrt
werden.
Fehler, die die
Verständigung beeinträchtigen:
Hörer-Fehler: |
Sprecher-Fehler: |
Man
probt, während andere noch sprechen, bereits den eigenen
nächsten Gesprächsbeitrag. |
Man
organisiert die Gedanken nicht, bevor man spricht. |
Der
Hörer erfasst nicht den ganzen Sinn der Aussage. |
Es werden zu viele Aussagen und Ideen unverbunden in eine
Äußerung gebracht. |
Man
versteht mehr als die Partner sagten, weil man deren Gedanken
weiterdenkt. |
Es
wird aus Unsicherheit immer weiter geredet, ohne die Auffassungskapazität
der Hörer zu berücksichtigen.
|
Weniger
Vertrautes wird in eigene Denkschemata eingeordnet. |
Man
überhört bestimmte Punkte in den Ausführungen
der Partner. |
Die verschiedenen Arten
von Gesprächen unterscheiden
sich u. a. durch den Grad ihrer 'Verregelung':
Diskussion, Streitgespräch, Pro-und-Contra-Gespräch,
Debatte sowie sokratischer Dialog sind stark verregelte Schülergespräche,
die meist der Erörterung umstrittener konsensbedürftiger
Fragen und Probleme dienen. Diese durch die Medien geprägten
Gesprächsformen, die ihren Vorläufer in der Disputation
des Mittelalters haben, dienen der
Einübung in demokratische Formen der Konfliktlösung
sowie der Schulung der Argumentationsfähigkeit.
Wir konzentrieren
uns auf folgende Gesprächsformen:
-
Offenes
Gespräch
-
Lehrergespräch
oder gelenktes Unterrichtsgespräch
-
Fragend-entwickelndes
Gespräch
-
Freie
Diskussion
-
Debattenformen
-
Moderation
-
Kontrollierter
Dialog/Aktives Zuhören
1. Offenes Gespräch
Das offene Gespräch,
die Unterhaltung, die häufig am Beginn einer Themenbearbeitung,
z.B. einer Textinterpretation steht, ist die am wenigsten formalisierte
Form. Hier nimmt sich die Lehrperson weitgehend zurück und
lässt den Schüler/innen freien Raum, ihre eigenen Erfahrungen,
Bedürfnisse und Phantasien spontan zu äußern,
zu veröffentlichen und zu reflektieren.
2.
Im Lehrergespräch oder gelenkten Unterrichtsgespräch
gibt
der Lehrer Inhalt und Ziel des Gesprächs vor und motiviert
die Schüler/innen gleichzeitig, durch regelmäßige
Zwischen- und Rückfragen (Verständnis-, Wiederholungs-,
Beispiel-, Prüfungsfragen) zum aufmerksamen Nachvollziehen
des Gedankenganges.
3.
Im fragend-entwickelnden Gespräch,
auch
sokratischer Dialog genannt, weil Platon in seinen philosophischen
Erörterungen Sokrates als entwickelnden Gesprächsführer
auftreten lässt. Der Lehrer nutzt geschickt die Vorkenntnisse
der Schüler/innen sowie ihr logisches oder psychologisches
Argumentationsvermögen, um einen Sach-, Sinn- oder Problemzusammenhang
aus ihrer Sicht und in der Sprache der Schüler/innen fragend
zu entwickeln.
4.
Freie Diskussion
Diskussionen
können sehr lebendig sein und im gegenseitigen Austausch
zu neuen Erkenntnisweisen und Perspektiven führen. Wir alle
verfolgen Diskussionen im Fernsehen oder nehmen vielleicht selber
an solchen Gesprächen teil. Sie können spontan und informell
sein, aber auch stärker reguliert durch Diskussionsleiter/innen.
Auf jeden Fall gilt es, bestimmte Gesprächsregeln
einzuhalten, damit kein Chaos entsteht und jeder zu seinem
Recht kommt, besonders im schulischen Kontext:
-
Wahrheitsvermutung:
Man begegnet dem Anderen nicht mit Vorurteilen, er wolle
lügen oder andere hereinlegen. Man nimmt normalerweise
an, dass jemand einem die Wahrheit sagt.
-
Gesprächsdisziplin:
Eine stillschweigende Vereinbarung besagt, dass man sich
gegenseitig zuhört, den anderen auch zu Worte kommen
lässt und ihn nicht niederschreit, geschweige denn
zu körperlichen Angriffen Zuflucht nimmt. Auch das
gab es schon und gibt es gelegentlich immer noch.
-
Sachlichkeit:
Persönliche Angriffe und unfaire Attacken müssen
unbedingt vermieden werden, sonst ist es nicht möglich,
zu einem kooperativen Gespräch zu gelangen.
In
kleineren, vertrauten und auf der persönlichen Ebene weitgehend
konfliktfreien Gruppen funktionieren diese einfachen Regeln der
Diskussion meist problemlos. Bei Diskussionen mit vielen Teilnehmer/innen
oder in konflikthafter Atmosphäre ist es aber eine Gesprächsleitung
notwendig, manchmal müssen auch Formen der Moderation (siehe
unten) angewendet werden.
5.
Debattenformen
Debatten
kennen wir vor allem aus den Parlamenten. Sie dienen der Entscheidungs-findung
für Gesetze und unterliegen strengen Regularien, der Geschäftsordnung
und speziellen Ausführungsbestimmungen sowie der Leitung
etwa durch den Parlaments-präsidenten.
Man kann aber auch im Unterricht in spielerischer Weise Debatten
planen und durchführen; dabei geht es dann um die Einübung
in formalisierte Gesprächsformen und das Training der dazu
erforderlichen Fähigkeiten, vor allem die angemessene Argumentation.
Die
Moderation (von moderamen, lat. Hilfsruder) ist eine sehr moderne
Form der Gesprächsführung. Neben den formalen organisatorischen
Bedingungen werden auch die Beziehungsebene und das inhaltliche
Geschehen von der moderierenden Person mitgestaltet.
Eine spezielle Form von Moderation ist die Metaplantechnik. Darunter
versteht man die visualisierte Leitung von Gesprächsprozessen,
bei der einzelne Gedanken stichwortartig
auf Kärtchen geschrieben und gemeinsam an Pinnwänden
strukturiert und bewertet werden. Diese eignet sich v.a. für
gemeinsame Arbeitsgespräche, die der Klärung und Entscheidung
dienen.
Moderatoren brauchen vor allem die folgenden
Qualifikationen, die wir auch von den Gesprächsregeln her
kennen:
-
Zuhören,
-
Verstehen,
-
Zusammenfassen.
7. Kontrollierter
Dialog
Beim
Kontrollierten Dialog wird das Gespräch so geführt,
dass eine Person spricht, und eine andere Person zuhört.
Ist die sprechende Person mit ihrem Beitrag zuende, wiederholt
die zuhörende Person das, was sie von dem Gesprächsbeitrag
der anderen Person verstanden hat, und spricht dann über
ihre eigenen Ansichten. Daraufhin wiederholt die zuhörende
Person das Gehörte in eigenen Worten und spricht dann darauf
bezogen in eigener Sache.
So entsteht ein zeitverzögertes Gespräch, das dazu dienen
soll, das gegenseitige Verständnis zu sichern, da durch die
stetige Wiederholung des eben Gehörten Missverständnisse
schon im Vorfeld sichtbar werden und geklärt werden können.
Deshalb ist diese Gesprächsform besonders für schwierige
Gespräche über kontroverse Themen sehr hilfreich.
Dass
man im Alltag nicht immer so kontrolliert diskutieren kann, versteht
sich von selbst. Man sollte aber in der Lage sein, jederzeit einen
Gesprächsablauf so kontrolliert durchführen zu können.
2.4 Grunderwartungen und Grundregeln
guter Kommunikation
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2.6
Praktische Kommunikationsregeln in der Schule
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