2 Kommunikative Praxis in der Schule und praktische Rhetorik

2.5 Gesprächsformen einüben und leben lernen










BEISPIEL FÜR EIN GELENKTES UNTERRICHTSGESPRÄCH (Auszug)

Thema der Stunde (7. Klasse Gymnasium) ist die Kurzgeschichte "Das Nachtpfauenauge" von Hermann Hesse.

Die Schüler hatten die Hausaufgabe, die Geschichte zu lesen; nun rekapituliert der Lehrer im gelenkten Gespräch, um welche Textsorte es sich handelt:

Lehrer: Ja also, wir sehen, das ist eine Jugenderinnerung, die er hierbei aufschreibt (schreibt das Wort an die Tafel) und . . . nun habe ich noch eine Frage: Wo, in welcher Art Bücher würdet ihr denn so eine ... Erinnerung erwarten, so eine Geschichte? ... Außer, dass es nun mal im Lesebuch drinsteht, nich?...
Ja, Ralf?
Ralf: Vielleicht in einem Tagebuch oder so?
Lehrer: Tagebuch? .. .
(einige Schüler sagen: Nein)
Warum nicht, Jan?
Jan: Weil das ja über mehrere Jahre geht.
Lehrer: Nun, was schreibt man eigentlich in ein Tagebuch? ... Von einem Tag?
(mehrere Schüler reden)
... Das heißt also? Ja!
Schüler: ... dass man da nicht alle diese äußeren Handlungen da und so schreibt, sondern in einem Tagebuch das, was man empfindet, mehr dahinschreibt
Lehrer: Ja, und worüber empfindet man es? Das, was man im Tagebuch schreibt, worüber empfindet man das?
Schüler: Über den einzelnen Tag. Man kann ja nicht ...

Lehrer:
(unterbricht den Schüler)

Ja, über welchen Tag, das ist glaube ich noch nicht ganz deutlich geworden. . . (auffordernd)
Im Tagebuch schreibe ich. . .? Na, nehmen wir mal als Beispiel - heute ist der 25. 10. 1986 - was könnte man im Tagebuch heute Abend (wenn jemand Tagebuch führt) - was könnte man da reinschreiben? Claudia!
Claudia: Das über den Tag, was er erlebt hat.
Lehrer: Über welchen Tag?
Claudia: Heute.
Lehrer: Heute, genau. Wir hatten aber ja festgestellt, bei unserer Geschichte, da ist ein Abstand von etwa 22 Jahren. . . Jens!
Jens: Ich glaub, in gesammelten Werken und so?
Lehrer: Mmh. Gesammelte Werke. . . Oder? Joachim?
Joachim: Vielleicht im Krimi oder so?
(andere Schüler lachen)
Lehrer: Na!
Schüler: Abenteuerbuch?
Lehrer:
(an die übrigen)
Abenteuerbuch?
Schüler: In einem Jugendbuch?
Lehrer: Ja, ich glaube, jetzt seid ihr aufs Raten gekommen. Wir wollen das nochmal überlegen. Wir haben festgestellt, es handelt sich um eine Jugenderinnerung, die er etwa 20 Jahre später, wie Joachim vermutet hatte, und das war ja ganz toll, die er 20 Jahre später aufschreibt. . . Tja, wenn's nicht Tagebuch ist, weil man da gleich etwas aufschreibt, dann müsste es wohl etwas anderes sein. Na, Silke?
Silke: In Karl-May-Büchern, da schreibt er ja auch alles also in Ich-Form und schreibt es dann also...

Lehrer:

(unterbricht Silke)
Haben wir in dieser Geschichte Ich-Form?
Schüler: Teilweise wohl.
Lehrer: Teilweise. Ja, ist richtig. Mmh.
Schüler: Vielleicht ist es auch ein Buch, wo so'ne Lebensbeschreibung von einem Künstler, wo man dann ...
Lehrer: (unterbricht)
Ich glaube auch, nich! Das ist also nicht nur eine Jugenderinnerung, sondern es ist eine Lebenserinnerung (schreibt das Wort "Lebenserinnerung" an die Tafel).

Schüler:

Eine Geschichte aus seinem Leben
vielleicht ...

Schüler:
(leise dazwischen-redend)
Memoiren!
Lehrer: Ja, und hier ist schon jemand ...
Schüler:
(zwischenrufend)
Lebensgeschichte!
Lehrer: ... ganz perfekt in Fremdwörtern und sprach von Memoiren. - Was sind das denn?
Schüler: Memoiren sind so ähnlich... von früheren Erlebnissen...
Lehrer: Ja, das sind Erinnerungen, nich, das ist ein Wort aus dem Französischen, und da sind die Erinnerungen nun aufgefasst.
 

 

Fragen zum Gespräch:

  • Beschreiben Sie möglichst genau den Verlauf von Schüler/innen- und Lehrerseite her.
  • Beurteilen Sie die Angemessenheit der Lehrerinterventionen.
    Fallen Ihnen Fehler auf?