"Es
geht immer
nach dem Kommunikationsmodell
und niemals
(nur) nach dem Kommunikationsmodell"
Wieso kann man so etwas sagen, das widerspricht
sich doch!
Und dennoch ist die Aussage in ihrer
Pointe richtig, dazu die folgende Erörterung:
"Es geht
immer nach dem Kommunikationsmodell ...."
Kommunikationsmodelle versuchen,
die komplexe Wirklichkeit der Kommunikation dadurch zu modellieren,
dass sie die wesentlichen Faktoren, ("Größen")
in Kommunikationsprozessen zu erfassen suchen. Sie sind damit
natürlich nur vereinfachende "Modelle" der Wirklichkeit,
nicht diese Wirklichkeit selbst.
Das älteste und zugleich einfachste Kommunikationsmodell
ist das informationstheoretische, das aus der Nachrichtentechnik
kommt und die Grundgrößen für die Übermittlung
von Informationen angibt.

- Um kommunizieren zu können, muss mindestens
ein Sender (der eine Nachricht übermitteln will) und mindestens
ein Empfänger (der zum Empfang bereit ist) vorhanden sein.
- Um Informationen austauschen zu können,
muss sich der Sender eines Kanals, manchmal auch Medium genannt,
bedienen, z.B. der Schallwellen, der Lichtwellen, der Rundfunkwellen
oder eines elektrischen Kabels.
- In diesen Kanal (vgl. die Kanäle beim
Rundfunk, Fernsehen) werden Signale eingespeist. Dazu ist es
notwendig, die Nachricht in die für den jeweiligen Kanal
geeigneten Signale zu verschlüsseln, zu encodieren.
- Dazu bedient man sich eines (Verschlüsselungs-)Codes,
der in etwa ein Verzeichnis von Signalen und Bedeutungen darstellt.
(Denken Sie an Morsecodes, Geheimcodes, Flaggenalphabete usw.)
- Der Empfänger muss natürlich
auch über den Code verfügen, denn er muss die Signale
ja wieder entschlüsseln, decodieren. Dadurch hat er natürlich
nur eine rekonstruierte Nachricht, die nur im optimalen Falle
mit der ursprünglichen identisch ist. ( vgl. das Spiel
"Stille Post" ).
- All dieses ist von einer allgemeinen
Störquelle begleitet, die in der Informationstheorie "Rauschen"
heißt. Denken Sie z.B. an das Rauschen in Rundfunk-oder
Fernsehempfängern.

Das nachrichtentechnische Kommunikationsmodell
können wir in verschiedene Richtungen interpretieren, z.B.
mit Sprache in der Gesprächs- und Schriftkommunikation, also:
Dabei wird der Sender zum Sprecher oder Schreiber,
der Empfänger zum Hörer oder Leser. Der Code ist der
Code Sprache mit seinen Wörtern (genauer Wortkörpern
und ihren Bedeutungen), der Kanal sind Schallwellen (Sprechen)
oder Lichtwellen (Schriftkommunikation).
Speziell aus Gesprächen lernen
wir, dass die Gesprächsrollen laufend wechseln, das heißt,
der Sprecher ist zugleich Hörer und umgekehrt.
Wir wollen nun weitere Überlegungen anstellen, die sich auf
mögliche Störungen beziehen - z.B. dass
die Partner "nicht die gleiche Sprache" sprechen und
also sprachlich nicht kommunizieren können:

- dass sie zwar beide Sprecher des
Deutschen sind, aber einen Dialekt sprechen oder ein verschiedenes
Sprachregister benutzen und deshalb sogenannte "Sprachbarrieren"
entstehen, so dass es nur teilweise zur Überschneidung der
benutzten Codes kommt .

Hier beginnt bereits eine Schwierigkeit
der Kommunikation: teilweises Nichtverstehen ist vorprogrammiert.
Natürlich kann auch nur der Lärm in der Umgebung dafür
verantwortlich sein, dass Kommunikationspartner sich nur teilweise
verstehen. Dieser (Störungs-) Lärm stünde für
"Rauschen".
Die eben genannten Störungen kann man im Kommunikationsmodell
noch erfassen, indem man sie bei einer Größe verortet,
in "CODE" oder in "RAUSCHEN".

Problematischer wird es bei den in
den jeweiligen Kommunikationspartnern liegenden möglichen
Störquellen, beispielsweise:
- der Unfähigkeit, zuzuhören
und auf andere Menschen einzugehen;
- der Unfähigkeit, seine "Rolle"
zu finden;
- der mangelnden Fähigkeit, sich
in andere Menschen hineinzuversetzen;
- dem Desinteresse am anderen oder
dem Inhalt der Kommunikation ("die Ohren auf Durchzug stellen");
- dem Wissensdefizit;
- der Angst sich bloßzustellen;
- der Wahrnehmung des anderen als Konkurrenten;
- dem Misstrauen dem anderen gegenüber
aufgrund negativer Erfahrungen;
- der mangelnden Fähigkeit, seine
Gedanken, Gefühle, Wünsche auszudrücken;
- dem negativen Selbstbild;
- jemand redet von etwas, was es gar
nicht gibt;
- jemand will gar nicht verstanden
werden oder meint etwas ganz Anderes;
- jemand ist einfach nur " schlecht
drauf ".
Solche Phänomene sind Störfaktoren
der Kommunikation, die von Kommunikationsmodellen nicht erfasst
werden können. Sie gehen von der Bereitschaft, Fähigkeit
und dem Vermögen zur Kommunikation (bei)der Beteiligten aus.
Und hier wird der zweite
Teil der Aussage wahr :
"..... und
niemals (nur) nach dem Kommunikationsmodell.
Wenn man in Kommunikationsmodellen dennoch
versucht, mit solchen internen, meist psychosozialen Störquellen
umzugehen, dann geschieht das indirekt, z.B. indem man versucht,
den Code durch innere und soziale Faktoren beeinflusst zu denken.
Man nimmt in diesem Modell an, dass
der Code durch die inneren Befindlichkeiten der Kommunikationspartner,
durch Gesprächsrollen (z.B. in der Vorlesung oder in der
Diskussion), durch die Sache selbst (Fachsprache) etc. verändert
wird.

Das Problem hat der Verhaltensforscher Konrad Lorenz gut zusammengefasst:
"Gesagt heißt nicht immer gesagt,
gesagt heißt nicht immer gehört,
gehört heißt nicht immer verstanden,
verstanden heißt nicht immer einverstanden,
einverstanden heißt nicht immer angewendet,
angewendet heißt nicht immer beibehalten."
Machen Sie sich einmal
Gedanken darüber, was Lorenz damit im Einzelnen gemeint haben
könnte, und versuchen Sie, dieses auf konkrete Gesprächssituationen
zu beziehen.
0 Einführung

1.2 Ich und der andere
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