Mit
der neuen Sensibilität für kommunikative Vorgänge
im Unterricht verbinden sich auch grundlegende
Veränderungen in der Unterrichtsorganisation.
Diese betreffen:
-
die
verbesserte Organisation in der Klasse (veränderte Formen
des Unterrichts-gesprächs, andere Sitzordnungen),
-
die
Einführung neuer Arbeitsformen in den Unterricht (z.B.
offener Unterricht, Wochenplanarbeit u.ä.)
Beispiele
1. Unterrichtsorganisation
und Sitzordnung
Karl Schuster macht in seinem Aufsatz "Mündlicher
Sprachgebrauch" , folgende Bemerkungen zur veränderten
Unterrichtsorganisation:
Auflösung der Kolonnensitzordnung
zugunsten von Tischgruppen.
"Die Kommunikation in der Gruppe wird
erleichtert; Arbeitsaufträge können ohne größeren
organisatorischen Aufwand schneller erledigt werden. Glöckel
wägt die Vor- und Nachteile einer solchen Anordnung
gegeneinander ab. "Gruppentische verstärken den Binnenkontakt
der Gruppe, schwächen aber den Außenkontakt und zerteilen
daher die Klasse mehr oder weniger deutlich.
Oft ist ein Teil der Arbeitsplätze schlecht beleuchtet, was
durch dauernd eingeschaltetes Kunstlicht nicht ausgeglichen werden
kann. Ein Teil der Kinder muss sich beim Abschreiben von der Tafel
umdrehen und zeigt eine entsprechend schlechte Körperhaltung."
(Glöckel 1990: S. 86).
Diese Sitzordnung sei die einzig richtige für den Gruppenunterricht.
Für den Frontalunterricht sei sie von Nachteil, weil die
Kinder vom Lehrer und der Sache ab- und aufeinander hingelenkt
werden, es sei denn, der Lehrer bestehe fest auf der Anweisung:
"Dreht euere Stühle jetzt so, dass ihr mich gerade anschaut
und die Lehne im Rücken habt."
In diesem Zusammenhang müssen auch die verschiedenen Sozialformen
erwählt werden, die jeweils mit entsprechenden Intentionen
eingesetzt werden:
Großklasse, Partner- und Gruppenarbeit, Einzelarbeit.
Zeitweiliges Abgeben des Aufrufrechts durch den Lehrer an die
Schüler.
Durch dieses Abgeben
wird vermieden, dass der Lehrer auch bei der Kommunikation der
Schüler untereinander zur zentralen Vermittlungsinstanz wird.
Dies bietet sich vor allem bei offenen Unterrichtsprozessen an.
Damit dominante Schüler nun nicht wiederum nur ihre Freunde
aufrufen, sind verschiedene Varianten möglich, um den Gesprächsverlauf
doch etwas zu steuern:
- Es muss abgewechselt werden zwischen
Jungen und Mädchen.
- Die Reihenfolge der Meldungen muss
beachtet werden. Häufig ist dabei ein Protokollant notwendig.
Gesprächskreis
Die verschiedenen Möglichkeiten der Gesprächsinteraktion
sind besonders wichtig beim Gesprächskreis, der gebildet
werden sollte, wenn in der Klasse erzählt werden soll. In
der Grundschule gibt es den sogenannte "Morgenkreis",
zu Beginn der Woche der "Montagskreis" oder am Ende
der Schulwoche den "Freitagskreis"....". Wichtig
ist dabei, dass die Schüler eine gewisse Übung gewinnen,
möglichst schnell und geordnet im Kreis Platz zu nehmen,
damit der Wechsel zu einem selbstverständlichen Ritual werden
kann. Der Gesprächskreis ermöglicht eine gewisse Intimität;
es sollte darauf geachtet werden, dass jeder jeden ohne hinderliche
Barriere anschauen kann und niemand in der zweiten Reihe sitzt.
Dabei ist es selbstverständlich, dass der Lehrer nicht mehr
die dominante Position einnimmt und er z. B. allein aufruft; er
sitzt zwischen den Schülern, und meist ergibt sich eine zwanglose
Gesprächsfolge. In Grundschulklassen konnte ich beobachten,
wie schnell solch ein Wechsel vollzogen werden kann, wenn die
Schüler daran gewöhnt sind. Voraussetzung ist natürlich,
dass genügend Raum (meist im hinteren Bereich des Klassenzimmers)
zur Verfügung steht. Leider schrumpfen mit den steigenden
Schülerzahlen in den westlichen Bundesländern die Bewegungsräume
immer mehr auf ein Minimum. (Vgl.
Potthoff 1995)
Rituale
Rituale wie z.B. der Morgenkreis sind für
den mündlichen Sprachgebrauch sehr wichtig, da sie den Unterricht
strukturieren, ihn dadurch entlasten und die Konzentration auf
die Lernaufgabe ermöglichen. Je nach Intention sollten selbstverständlich
auch andere Sitzanordnungen ermöglicht werden. Für Diskussionen
z.B. ist die Hufeisenform am besten geeignet, da jeder jeden anblicken
und ansprechen kann und gleichzeitig durch die Tischbarriere eine
gewisse Distanz gewahrt bleibt. Dies gilt mit kleinen Abweichungen
auch für die Podiumsdiskussion. Man sollte niemals die strukturierenden
Folgen, die von äußeren Rahmenbedingungen abhängen,
unterschätzen. "
Soweit das Zitat aus Schuster.
Wir sehen, wie sehr die Unterrichtsorganisation die Art der Kommunikation
und die Art der Bearbeitung derselben Unterrichtsgegenstände
bestimmt, ja, sie ist der Anfang allen Positiv-Miteinander-Umgehens.
Und deshalb wurde sie hier als erste genannt.
Man bemerkt sicher auch, dass die Verstärkung des Blickkontakts
der Schüler/innen untereinander und die Herstellung "gleicher
Augenhöhe" in der Kommunikation ganz wesentliche Elemente
sind.
Es geht natürlich nicht darum, nur diese Art von Unterrichtsorganisation
zu empfehlen, das ist gar nicht möglich, es geht aber wohl
darum, so viel wie möglich von diesem Unterricht zu empfehlen.
Mittlerweile sind, besonders in der Grundschule und davon "aufsteigend",
noch weitere gravierende Veränderungen in der Unterrichtsorganisation
vorgenommen worden.
2. Einführung
neuer Arbeitsformen in den Unterricht
Ein flexibler und situationsadäquater
Einsatz von unterschiedlichen Arbeitsformen und der Methodenwechsel
führt, dies zeigen viele Studien, zu einem größeren
Lernerfolg und verhindert die Unaufmerksamkeit der Schüler/innen
oder Unterrichtsstörungen.
Dazu gehört u.a. die Einführung
von offenen Unterrichtsphasen und Wochenplanarbeit und die damit
verbundene weitgehende Individualisierung des Unterrichts. Die
Schüler/innen bestimmen selbst, wann sie welche Aufgaben
mit wem erledigen, die Lehrkraft ist Lernbegleiterin und Beraterin.
Natürlich gibt es dennoch gemeinsame "Sozialphasen"
und diese werden als solche von den Schüler/innen dann auch
geschätzt und "geliebt".
Wir alle haben verschiedene Lernkanäle,
die alle angesprochen und genutzt werden sollen. Dies geschieht
durch die Aktivierung der Fähigkeiten
zum Sehen, Lesen, Schreiben, Handeln, Spielen, Zeichnen und Zufassen.
Konkret für den Unterricht umfasst dies
(neben dem traditionellen "Frontalunterricht") Arbeitsformen
wie
- Partnerarbeit,
- Arbeit in Dreiergruppen,
- Schülervortrag,
- situatives Spiel,
- Projektbearbeitung,
- Beteiligung der Schülerinnen und Schüler
bei der Auswahl von Unterrichtsthemen,
- selbständige Arbeit nach Arbeitsplan
(Arbeiten mit dem Wochenarbeitsplan),
- Werkstattunterricht,
- die Nutzung von themenbezogenen Informationsquellen
(Nachschlagewerke, Bibliotheken, Zeitungen, Internet),
- Auswahl von Aufgaben von Aufgabentischen,
- Selbständige Arbeit mit Büchern,
Zeitschriften und Zeitungen,
- Arbeit mit Bildern (Postern, Comics etc.),
- Einsatz von audiovisuellen Medien und Computern.
Auch so etwas wie Gudrun Spittas Schreibkonferenzen
(Mehrere Kinder arbeiten gemeinsam Texte um) oder der Einsatz
von Helferkindern in der Klasse
(bessere Schüler/innen helfen schwächeren), die Einbeziehung
von Eltern als pädagogische Assistenten u.a.m. gehören
zu den neuen Arbeitsformen.
Lehrer/innenrolle
Bei diesem Wechsel der Arbeitsformen
ändert sich zunehmend auch die Rolle des Lehrers:
Er wird mehr zum Moderator des Unterrichts, als dass er
diesen mehr oder weniger als "Alleinunterhalter"
allein bestimmt.
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Deshalb ist es wichtig,
- Möglichkeiten zu schaffen, die Schüler/innen
zum selbständigen Lesen/Sprechen, Vortragen, Üben
anzuregen,
- Materialien zu Verfügung und Aufgaben
zu stellen, die von den Schüler/innen in Partner- oder
Gruppenarbeit bewältigen können,
- sich bei Interventionen möglichst
zurückzuhalten, denn es gilt das Prinzip:
Nur was man selber tut und lernt, bleibt auch haften!
- allzu lange "Vorträge" zu
vermeiden,
- die Einübung des "Methodenlernens"
gegenüber der reinen Wissensvermittlung zu fördern.
3. Beispiele
Lernen an Stationen
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Das Arbeiten an Stationen ist eine Form
des selbsttätigen und differenzierenden Unterrichts.
Zu einem bestimmten Thema werden im Klassenzimmer geordnet
verteilt verschiedene Lernstationen aufgebaut, durch die
die Thematik über verschiedene Lernzugänge erarbeitet
oder vertieft werden soll. Dabei werden möglichst viele
Sinne berücksichtigt.
Die Stationen sind so eingerichtet, dass an ihnen ohne Lehreranleitung
selbständig gearbeitet werden kann. Das Arbeitstempo
bestimmt jeder Schüler selbst, da die Zeit der Bearbeitung
pro Aufgabe nicht festgelegt ist. Der Vorteil dieser Arbeitsform
ist deshalb u.a., dass der Gleichtakt des Kindes mit seinen
Mitschülern und der sonst häufige Zeitdruck stark
reduziert werden kann.
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Projektarbeit |
Ausgangspunkte
für Projekte sind in der Regel situative Anlässe
und konkrete Aufgabenstellungen aus der Lebenswirklichkeit
der Kinder. Zielsetzung ist dabei die von Lehrer/innen und
Schüler/innen gemeinsame und konkrete Bearbeitung der
Thematik. Dabei werden problemorientierte und fächerübergreifende
Lern- und Arbeitsprozesse bevorzugt.
Häufig werden auch außerschulische Fachleute in
die Erarbeitung mit einbezogen. Im Mittelpunkt steht dabei
das ganzheitliche, nicht in Fächer eingebundene Wahrnehmen
und Erleben der Realität. Praktische Anwendungen und
gefundene Problemlösungen werden praktisch erprobt, um
so auch den individuellen Sinn und die soziale Bedeutung des
Lernens zu erkennen.
Ein Projekt endet in der Regel mit einer kritischen Reflexion
über den Projektverlauf und ein festliches Verabschieden
durch eine Veröffentlichung, Ausstellung oder ein Fest. |
Wochenplanarbeit |
Der Wochenplan ist ein Konzept der Unterrichtsorganisation.
Die Schüler/innen erhalten zu Beginn eines bestimmten
Zeitraums (z.B. eine Woche) einen schriftlichen Plan, der
Aufgaben verschiedenen Typs aus unterschiedlichen lnhaltsbereichen
enthält.
In dafür vorgesehenen Unterrichtsstunden bearbeiten
die Schüler/innen diesen Plan selbstständig und
in der Regel in wechselnden Sozialformen (Einzel-, Partner-
oder Gruppenarbeit). Nach der Bearbeitung einer Aufgabe,
wird diese eigenständig kontrolliert und als erledigt
im Plan eingetragen.
Der Wochenplanunterricht besteht somit in einer
Zusammenfassung der ansonsten über die Woche verteilten
Kurzphasen von Still-, Partner- und Gruppenarbeit. Die Schüler/innen
sollen dabei lernen, sich die Zeit selbstständig einzuteilen,
um so einen umfangreichen Auftrag in eigener Regie sinnvoll
zu bearbeiten.
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2.2 Warum funktionieren Unterrichtsgespräche
häufig so schlecht?
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2.4 Grunderwartungen und Grundregeln guter
Kommunikation
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