"Solange sich Lehrer und Schüler
ganz vorrangig auf die Inhalte kaprizieren, so lange werden
Kommunikationsfragen kaum wahrgenommen, geschweige denn
thematisiert. Gesprochen wird zumeist zum Lehrer hin, denn
dort spielt die Musik." (Heinz
Klippert 1995: S.13) |
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Das vorstehende Zitat zeigt: Klippert geht aus von einer negativen
Analyse der Kommunikation im Schulalltags, der die selbständigen
kommunikativen Fähigkeiten der Schüler/innen eher hemmt
als fördert. Der gewöhnliche Unterricht sei einseitig
rezeptiv orientiert, durch den Druck der Lehrpläne überwiegend
stofflich ausgerichtet und schaffe überwiegend asymmetrische
Lernsituationen (Frontalunterricht).
Dies belegt Klippert durch die Einfügung alarmierender Schülerbefragungsergebnisse
in den Bereichen Freies Reden, Vortrag, Diskussion, Gruppenarbeit
etc.
Fazit dieser Befragungen ist, dass unsere Schüler/innen nur
unzureichend in der Lage sind, sich in konkreten Kommunikationssituationen
angemessen sprachlich zu artikulieren.
Der Ansatz von Heinz Klippert ist deshalb, wie auch unser Programm,
auf die Schaffung einer neuen Kommunikations-
und Lernkultur ausgerichtet. Dabei sollen vor allem bestimmte
Schlüsselqualifikationen entwickelt und gefördert werden,
die besonders für die spätere berufliche Praxis von
zentraler Bedeutung sind:
- Methodenkompetenz,
- Kommunikationsfähigkeit im weitesten Sinn,
- Steigerung von Teamfähigkeit, Lernmotivation, Selbstwertgefühl
und Leistungsfähigkeit.
In Klipperts Konzept geht es auch um die Überwindung von
isolierten Lernzielen und abstrakten Inhalten und positiv gesagt
um die Entwicklung kommunikativer und sozialer
Kompetenz.
Die angestrebte neue Lernkultur trägt nicht zuletzt dazu
bei, dass die Schule ihre sozial-integrative Funktion wirksamer
als bisher üblich erfüllen kann. Denn in dem Maße,
wie die Schüler/innen zu mehr Selbständigkeit, Methodenkompetenz,
Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Lernmotivation
und Lernerfolg hingeführt werden, wachsen auch ihr Selbstwertgefühl,
ihre Leistungsfähigkeit und ihre soziale Kompetenz im wahrsten
Sinne des Wortes.
DIE THEORIE:
WARUM KOMMUNIKATIONSTRAINING IN DER SCHULE?
Wir erinnern uns an Watzlawicks Axiom
1 man könne nicht nicht kommunizieren.
Dies beinhaltet natürlich nicht, dass man in verschiedenen
Kontexten nicht auch optimal oder wenigstens zureichend kommunizieren
kann. Und dies gilt auch für die Schule. Aber es gibt eben
Einschränkungen und auch in vielen Klassen das Phänomen,
dass manche Schüler/innen die Kommunikation
verweigern und damit Kommunikationsverweigerung kommunizieren.
Klippert geht gestützt von empirischen Ergebnissen davon
aus, dass die kommunikative Kompetenz der Schüler/innen weniger
angeboren, als durch viele verschiedene Faktoren und Sozialisationsbedingungen
(u.a. der Schule) determiniert sei. Alles spreche dafür,
"dass das Gros der Schüler auf naturwüchsige
Weise' zu keiner tragfähigen Kommunikationskompetenz gelangt."
(Heinz Klippert 1995: S. 13.)
Dies heißt aber auch, dass die Kommunikationskompetenz
durch geeignete Angebote und Methoden innerhalb des schulischen
Zusammenhangs verändert, verbessert, optimiert werden kann.
Dafür die Bedingungen zu schaffen und Instrumentarien zur
Verbesserung zu entwickeln, darum geht es in Klipperts Kommunikationstraining.
Dies soll, so eine weitere Voraussetzung, nicht primär durch
eine tiefergehende Persönlichkeits-veränderung'
geschehen, sondern pragmatisch durch die Vermittlung
elementarer "Techniken" und Regelbeherrschung, also
um Know-How!
Von daher geht es Klippert um die Etablierung des Bildungsziels
Gesprächskompetenz gegen die
einseitige Orientierung auf Faktenwissen und Lehrervortrag. Auch
für die Pädagog/innen ist, so Klippert, die Erreichung
dieses Ziels im eigenen Interesse, denn nun müssen sie nicht
mehr den gesamten Unterricht "bestimmen", sondern
können vieles der Eigeninitiative der Schüler/innen
überlassen.
Die Praxis:
Trainingsbausteine für den Unterricht
Nach der Theorie aber die Praxis, und die ist in Klipperts Konzeption
das Entscheidende. Er entwirft (und erprobte mehrfach!) Trainingsbausteinen
für den Unterricht. Sie bieten vielfältige Kommunikationsanlässe/-arrangements
in fünf Übungsfeldern:
- Trainingsbaustein
Propädeutische Übungen,
die alltägliche Kommunikationsprobleme und -perspektiven
reflektieren helfen.
Hier gibt es Schülerbefragungen (Fragebogen), Übungen
im sprachlichen Bereich (etwa Satzergänzungen, Durchführung
von kleinen Gesprächsszenen in Gruppenarbeit), Assoziationsspiele
(etwa durch die Präsentation von Karikaturen), das Erstellen
von Wandzeitungen, Gesprächsprotokollen oder Video-Dokumentationen
von zurückliegenden Unterrichtsstunden.
- Trainingsbaustein
Übungen zur Förderung des freien Sprechens und Erzählens.
Im Gegensatz zum ersten, eher allgemeinen Teil, geht es in diesem
Trainingsbaustein vor allem auch um den fachspezifischen Einsatz
von Übungen, die die häufig reduzierte sprachliche
Ausdrucksfähigkeiten der Schüler/innen erweitern sollen.
Es handelt sich hier um aus der praktischen Rhetorik und der
Sprecherziehung bekannte Übungselemente.
Dies bedeutet für Klippert auch, dass vor allem in kleineren
Gruppen gearbeitet werden soll, da nur so eine Beteiligung vieler,
zum Teil auch sprechgehemmter Schüler/innen möglich
wird. Der Autor bietet wiederum eine Vielzahl von zum Teil originellen
Übungen. Wir müssen uns hier auf ein Beispiel beschränken:
Im "Montagskreis" etwa soll in lockerer Gesprächsrunde
das Wochenende, sollen aber auch die Planungen und Erwartungen
für die kommende Woche "durchgearbeitet" und
durch sprachliche Formulierung zur Bewusstheit gebracht werden.
Von Meditationsmusik untermalt werden kleine Tischgruppen gebildet,
in denen sich alle Beteiligten möglichst angstfrei äußern
können. Innerhalb diese Teiles gibt es auch Übungen
zum Nacherzählen, werden Fantasiegeschichten ersonnen und
Erzählimpulse gesetzt - aber auch Witze erzählt oder
Personality Shows erprobt.
- Trainingsbaustein
Miteinander reden - das kleine 1x1 der
Gesprächsführung.
Was im letzten Übungsteil spielerisch erprobt wurde, wird
nun auch zu
Gesprächsregeln
systematisiert und vertieft.
Ziele sind die Ausbildung der folgenden Fähigkeiten: den
Anderen - vor allem den Mitschüler/die Mitschülerin-
anzuhören (und auch anzusehen), auf Fragen und Argumente
einzugehen, Andere zu Wort kommen zu lassen, Nebengespräche
zu unterlassen und insgesamt vereinbarte Gesprächsregeln
zu beachten und einzuhalten.
Es werden auch Gesprächsanalysen und -protokolle erstellt
und durch Karten Regelkataloge gebildet. Weiter werden Kettengeschichten
erfunden, Partnerinterviews gemacht, Kreisgespräche veranstaltet,
Bewerbungskarteien angelegt und Talkshows geprobt - dies wenn
möglich immer mit einer Videokamera zur Kontrolle.
- Trainingsbaustein
Überzeugend argumentieren und vortragen - rhetorische Übungen.
Da wir innerhalb dieses Programms schon im nächsten Kapitel
relativ ausführlich auf die praktische Rhetorik eingehen,
wollen wir es hier kurz machen. Deutlich ist: Auch Klippert
sieht die im weitesten Sinne "rhetorischen Kompetenzen"
als zentrale Schlüsselqualifikation. In seinen Bausteinen
finden sich sowohl Übungen zur Redeanalyse (Reden zum Golfkrieg),
spielerische Argumentationsübungen, Formen der Gerichtsrede
(Durchspielen einer Verhandlung) und verschiedener Vortragsarten.
- Trainingsbaustein
Komplexere Kommunikations- und Interaktionsspiele
Hier sollen die bisher erworbenen Kommunikationsfähigkeiten
zusammenhängend zur Anwendung gebracht werden. Es werden
also relativ komplexe Kommunikations- und Interaktionsszenarien
entworfen und durchgespielt, die dem Einzelnen auch erlauben,
die eigenen Kompetenzen kritisch zu hinterfragen. Dabei handelt
es sich um Situationen, die aus dem alltäglichen Leben
oder aus den Medien bekannt sind, verschiedenartige Rollenspiele,
Pro-und-Kontra-Debatten, Theaterspielsequenzen, Planspiele,
Hearings etc., die jeweils in Gruppenarbeit vorbereitet, realisiert
und schließlich kritisch analysiert werden.
Bemerkungen zu Klipperts Konzept.
Klipperts Konzept ist vor allem von Vorgaben und Methoden der
Sprecherziehung
und der Rhetorik
gekennzeichnet. Noch nicht oder nur wenig berücksichtigt
sind Elementen aus der Kommunikationspsychologie, der Konfliktanalyse
und Techniken der Präsentation und Konfliktbearbeitung wie
Moderation und Mediation.
Deutlich geworden ist,
worum es Klippert neben der Gesprächskompetenzverbesserung
vorrangig geht:
- die Entwicklung von spielerischen Lernformen gegen
die einseitige Kopflastigkeit des Unterrichts,
- die Anregung der Selbsttätigkeit bei den Schülern,
- die Konzentration auf kommunikative Schlüsselqualifikationen,
die für die spätere Praxis wichtig sind,
- die systematische Durcharbeit der im Unterricht thematisierten
Gegenstände.
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Noch eine Bemerkung zur Verbreitung der Bausteine Kommunikationstraining:
"Es klippert die Schule", schrieb die "Süddeutsche
Zeitung" in einem Artikel vom 26./27.5.2001, in dem sie sich
mit dem Referat des bekannten Pädagogen an der Otto-Hahn-Realschule
in Herford beschäftigte. Klippert ist in den letzten Jahren
als Buchautor, Referent und Ausbilder sehr bekannt geworden. Er
setzte mit einer scharfen Kritik am bestehenden Unterrichtsalltag
ein, aber dabei blieb er nicht stehen. Er entwickelte eine Reihe
von praktischen Vorschlägen und Konzepten, die inzwischen
in der Ausbildung von Lehrern, aber auch im konkreten Unterricht
vielfach verwendet werden.
Auch das hier behandelte Kommunikationstraining wurde von ihm
mehrfach, vor allem in sogenannten Projektwochen mit Erfolg erprobt.
Inzwischen gehört es in vielen Schulen zum "Lehrplan"
des Kommunikationsunterrichts.
2.9 Kommunikative Straßensperren
und Türöffner von GORDON
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2.11
Praktische Rhetorik in der Schule
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