2 Kommunikative Praxis in der Schule und praktische Rhetorik

2.9 Kommunikative Straßensperren und Türöffner von GORDON










Das Konzept von Thomas Gordon

Der amerikanische Pädagoge und Psychologe ist mit seinen Büchern "Familienkonferenz" und "Lehrer-Schülerkonferenz" sehr bekannt und populär geworden. Von nicht wenigen Lehrer/innen und Pädagog/innen wird das Konzept sehr empfohlen.

Ausgangspunkt von Gordons Überlegungen für die Schule ist die Erkenntnis, dass die Kommunikation und das effektive Lernen durch untergründige Beziehungs- und Selbstwertprobleme gefährdet sind und dass die Schüler/innen nur dann wirklich lernen können, wenn sie von solchen Störungen frei sind.

Eine ganz wichtige Frage bei solchen Störungen ist: Wer hat das Problem?

Wenn es z. B. in der Klasse laut ist, reagiert die Lehrkraft normalerweise mit der Forderung nach Ruhe, oft in der Form eines Befehls: "Seid leise!" oder "Ruhe"!
Bei den Schüler/innen, die mit ihren Privatgesprächen ja "kein Problem haben", führt diese Aufforderung in der Regel zu innerem oder äußerem Widerstand.

Das Problem hat nämlich die Lehrkraft, so Gordon, sie fühlt sich gestört. Er empfiehlt, dass die Lehrkraft auch entsprechend kommuniziert: Keine Du-Botschaften sondern authentische Ich-Botschaften!

Also z.B."Ich fühle mich durch die Unruhe gestört, ich kann so gar nicht weitermachen."
Auch wenn sich die Lehrkraft z.B. einmal gesundheitlich nicht wohl fühlt hilft eine entsprechenden Ansage mehr als das hektische Bestehen auf der eigenen Autorität, z.B.: "Ich möchte gerne für euch da sein, aber da ich mich nicht wohl fühle, bitte ich euch um Rücksichtnahme."

Gordons Ausführungen und manche seiner Beispiele wirken zwar manchmal etwas idealistisch, aber den Autoren dieses Lernprogramms ist die Richtigkeit seiner Aussagen aus der eigenen Lehrtätigkeit sehr gut bekannt:
Ich-Botschaften wirken oftmals Wunder.

In der Klasse wird oft die Beobachtung gemacht, dass die Schüler/innen, spüren sie innere Anteilnahme und Annahme seitens der Lehrkraft, meist bereit sind, ausgesprochen kooperativ an der Unterrichtsgestaltung mitzuwirken. Schwierigkeiten treten eher dann auf, wenn den Schüler/innen harsche Befehle oder unbegründete Aufforderungen gegeben werden oder wenn sie nicht genau wissen, was sie eigentlich tun sollen.

Zu positivem Umgang miteinander gehört eine rücksichtsvolle aber klare Authentizität, die uns die Einschätzung der Situation und unseres Gegenübers ermöglicht.

Kommunikation wird nach Gordon behindert oder verhindert, wenn man durch sein kommunikatives und sprachliches Verhalten sog. Kommunikative Straßensperren errichtet, z.B. folgende Verhaltensmuster an den Tag legt:

  • Befehlen, kommandieren, anordnen.
  • Warnen, drohen.
  • Moralisieren, predigen, mit ,,müsstest" und ,,solltest" argumentieren.
  • Raten, Lösungen oder Vorschläge anbieten.
  • Belehren, Vorträge halten, mit logischen Argumenten kommen.
  • Verurteilen, kritisieren, widersprechen, beschuldigen.
  • Beschimpfen, Klischees verwenden, etikettieren.
  • Interpretieren, analysieren, diagnostizieren.
  • Loben, zustimmen, positive Bewertungen geben.
  • Beruhigen, mitfühlen, trösten, unterstützen.
  • Fragen, sondieren, verhören, ins Kreuzverhör nehmen.
  • Zurückziehen, ablenken, sarkastisch sein, aufheitern, zerstreuen.

Dabei mögen manche dieser Straßensperren auf den ersten und vielleicht auch auf den zweiten Blick nicht als solche erscheinen. Manchmal scheint Gordon hier übersensibel, manchmal aber auch wir als Lehrpersonen von einer falschen Vorstellung des kommunikativ Positiven geleitet zu sein.

Dies soll an dem Beispielen Loben und Trösten kurz diskutiert werden:

Beides gilt eigentlich als positive Ansprache gerade in einer Pädagogik, die durch Empathie und Zuwendung getragen ist, dennoch müssen wir uns darüber klar sein, dass sowohl beim Loben als auch beim Trösten, der jeweils Lobende und Tröstende gleichzeitig mitkommuniziert (Beziehungs- und Selbstoffenbarungsaspekt), dass er der starke, überlegene Partner, der dem anderen helfen muss ist. Auch wird umgekehrt gezeigt, dass die getröstete Person getröstet werden muss, schwach und abhängig von der Zuwendung des Starken ist. In der Schule, die durch eine grundsätzlich institutionell und von der Bildungserwartung der Beteiligten her ungleiche Rollenbeziehung und -erwartung zwischen Lehrer/in und Schüler/innen getragen ist, wird das Trösten sicher etwas feinfühliger empfunden. Unseres Ermessens ist das Verhalten "um Loben herum" und das Verhalten um "Trösten herum", sensibel angewandt, durchaus auch ein Kommunikativer Türöffner.

Dies ist eine weitere Kategorie kommunikativen Verhaltens, das Gordon skizziert.
Er meint damit eine Sprache der Annahme und der Rücksichtnahme auf den Anderen.
Dazu gehören wie schon ausgeführt:

  • die Ich Botschaften,
  • das aktive Zuhören,
  • das Eingehen auf das vom anderen Gesagte, u.a.m.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Literatur