1 Nachdenken über Kommunikation und Rhetorik

1.8 Kommunikationsstile...










...oder wie rede ich mit den anderen

1. Kommunikationsstile aus psychologischer Sicht

Unter Kommunikationsstilen versteht man spezifische Weisen des kommunikative Verhaltens. Normalerweise verfügen wir über sehr verschiedene Arten, uns dem Gegenüber kommunikativ zu präsentieren. So kann man z.B. in Gesprächen ein führendes, beherrschendes Verhalten vorlegen oder sich mehr zurückhaltend oder vorsichtig aufführen. Wir können jemandem mehr nach dem Munde reden oder auf "Kontra" spielen. So wechseln wir unser Verhalten normalerweise je nach Situation oder Rolle und auch nach dem Verlauf des Gespräches.

Schulz von Thun unterscheidet aufgrund seiner vor allem therapeutischen Erfahrung 8 Kommunikations- oder Interaktionsstile, in denen Menschen sich präsentieren und ihre Kommunikationsbeziehung gestalten:

den bedürftig-abhängigen Stil
den helfenden Stil
den selbstlosen Stil
den aggressiv-entwertenden Stil
den sich beweisenden Stil
den bestimmenden-kontrollierenden Stil
den sich distanzierenden Stil
den mitteilungsfreudigen-dramatisierenden Stil

Alle 8 Stile sollen prinzipiell jedem Menschen geläufig sein und treten natürlich auch "gemischt" auf. Schulz von Thun interpretiert das alleinige oder überwiegende Auftreten eines Stils bei einer Person als Ausdruck eines psychischen Problems (intrapsychische Betrachtungsweise), als seelisches Axiom, das er jeweils auf die frühkindliche Entwicklung zurückführt.

Im folgenden werden diese Stile kurz vorgestellt. Sie können weitere Zitate und Beispiele aus Schulz von Thun aufrufen.

Der bedürftig-abhängige Stil

Erscheinungsbild
"Wer kennt es nicht: das schöne Gefühl, umsorgt und beschützt zu werden, sich von Großen und Starken behütet zu wissen, die einem den richtigen Weg weisen und acht geben, dass nichts Schlimmes passiert?"


Grundpose des bedürftig-abhängigen Stils


Der helfende Stil

Erscheinungsbild
Menschen, die im helfenden Stil kommunizieren, wollen dem anderen, besonders dem Bedürftig-Abhängigen, ein starker Partner sein. Sie können in der Regel gut zuhören, signalisieren Verständnis und Empathie und bieten Unterstützung an. Gleichzeitig machen sie deutlich, dass sie stark und kompetent sind.
Die bekannte Redensart vom "hilflosen Helfer" macht allerdings auch deutlich, dass hinter diesem Stil bei extremer Verwendung ein Mensch stehen kann, der das Gefühl der eigenen Unsicherheit verbergen will.


Grundpose des helfenden Stils

Der selbstlose Stil

Erscheinungsbild
"Der selbst-lose Stil ist dem helfenden verwandt. Auch hier besteht das Grundmuster darin, für andere da zu sein, ihre Wünsche und Nöte zu erkennen und sich in ihren Dienst zu stellen. Doch während der Helfer die souveräne Pose anstrebt, sozusagen "von oben" kommt, hat die aufopfernde Tendenz des Selbstlosen etwas Unterwürfiges - sie kommt "von unten".


Grundpose des selbstlosen Stils

Der aggressiv-entwertende Stil

Erscheinungsbild
Der Gegenpart zum selbst-losen Kommunikationsstil ist der aggressiv-entwertende Stil. In ihm sind Elemente des Kampfes, der Konfrontation, des sich Empörens und der Unerbittlichkeit enthalten. Den anderen herabzusetzen und zu erniedrigen ist kommunikative Intention dessen, der diesen Stil benutzt. Dahinter steht der Gedanke, dass man den anderen in Schach halten müsse, damit man selbst nicht Objekt eines Vernichtungsfeldzuges werde. Die beiden Bilder zeigen die Grundpose des aggressiv-entwertenden Stils.

Grundpose
des aggressiv-entwertenden Stils (herabsetzend)

Grundpose
des aggressiv-entwertenden Stils (beschuldigend)

 

Der sich- beweisende Stil


Erscheinungsbild
Im sich beweisenden Stil will der Kommunizierende dem Gegenüber durch sein Verhalten kundtun und "beweisen", wie gut und kompetent er ist. Insofern steht er unter latentem Druck.
Er glaubt, immer wieder andeuten oder sagen zu müssen, dass er überlegen und wichtig, allseits bekannt und geachtet ist, oder dass er gebildet, gelehrt wohlhabend o.ä. ist.
Kommen zwei oder mehrere Personen zusammen, die im sich beweisenden Stil kommunizieren (z.B. Professoren oder Jugendliche in einer Gang...) entsteht manchmal heftige und auch peinliche Konkurrenz (vgl. den Werbespruch"Mein Auto, mein Haus, mein Boot").

 

Sieh her!   

Grundpose des sich-beweisenden Stils


Der bestimmende - kontrollierende Stil

Erscheinungsbild
Im bestimmend-kontrollierenden Stil macht der Sprechende seinem Gegenüber klar, dass er (im Gegensatz zum Gegenüber) weiß, was richtig und gut (für den anderen) ist. Es werden oft moralische oder Normaussagen verwendet.
Besonders gefärdet, in diesen Stil zu verfallen, sind die Menschen in pflegerischen oder pädagogischen Berufen, den sie in der gut gemeinten Absicht, andere weiterzubringen oder ihnen zu helfen gebrauchen.
Die Einstellung zum anderen ist aber nicht nur positiv-fördernd, er wird zugleich als fehlbares (Mängel-)Wesen, behandelt, das es zu kontrollieren und (vor sich selbst) zu "bewahren" gilt.
So wird dieser Stil von Betroffenen oft als "penetrant" empfunden und abgelehnt.
Bei extremer und nicht situationsangemessener Verwendung, kann dieser Stil das eigene innere Chaos beim Sprechenden zu kaschieren suchen.


Grundpose des bestimmenden-kontrollierenden Stils



Der sich distanzierende Stil

Erscheinungsbild
In diesem Stil ist der durchgehende, direkt oder indirekt gegebene Appell: "Komme mir nicht zu nahe, halte Distanz!"
Dieser Appell wird über eine stark versachlichte Sprache mit etwas abweisenden Charakter in Gestik und Körperhaltung, aber auch über protokollarische Schranken wie Vorzimmer, Voranmeldung, Schreibtischbarriere u.a.m. herübergebracht.
Die Beziehungsseite ist entsprechend auch in den sprachlichen Signalen, z.B. Signalen der Zuwendung und des Verstehens sehr zurückgenommen, der Kommunizierende sagt auch wenig von sich.
Hinter einem übermäßigen Gebrauch steht neben Rollenfixierungen oft auch die Furcht vor Verletzungen..


Grundpose des sich distanzierenden Stils

 


Der mitteilungsfreudige -dramatisierende Stil

Erscheinungsbild
Wahrgenommen zu werden und sich selbst zu produzieren ist Ziel dieses Kommunikationsstils. Der in ihm Kommunizierende ist gewissermaßen immer auf der Bühne, ja, sieht das ganze Leben als eine Bühne. Deshalb erscheinen solche Menschen oft als redselige Schauspieler.
Bei extremer Nutzung dieses Kommunikationsstils steht oft das Gefühl dahinter, unwichtig, nicht genügend wahrgenommen zu sein.



Grundpose des mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stils

 

2. Kommunikationsstile aus linguistischer Sicht: Gesprächsstile der Geschlechter

Frauen und Männer haben tendenziell eine andere Sprachverwendung , dies ist durch Forschungen aus den USA, England, Deutschland und anderen Ländern gezeigt worden.

So gibt es z.B. im Feld Stimme, Aussprache und Intonation für Frauen die folgenden Erkenntnisse:

Frauen passen sich den sozialen Normen und Erwartungen ihrer Umwelt mehr an, indem sie eher standardsprachlich sprechen im städtischen Bereich und dialektal im ländlichen Gegenden. Sie reden oft leiser und haben spezielle "weibliche" Intonationskurven. Die Frequenz von Männer- und Frauenstimmen lassen sich nur zum Teil biologisch erklären (vgl. Graddol/ Swann 1989).
Weiter verfügen Frauen und Männer wegen ihrer oftmals unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungsbereiche über unterschiedliche Fachwortschätze und unterscheiden sich in bestimmten Wortschatzbereichen. Dabei drücken sich Frauen häufig gewählter aus, vermeiden Kraftausdrücke oder schwächen diese ab.

Der Satzbau von Frauen
ist eher verbalorientiert, sie neigen zu kürzeren Sätzen und zeigen Charakteristika der gesprochenen Sprache in ihren Texten.
Gängigen Vorurteilen widersprechend haben sprachwissenschaftliche Messungen ergeben, das bei Interaktionen zwischen den beiden Geschlechtern Frauen meist weniger lang sprechen. Diese Vorurteile von der "geschwätzigen Frau" entsteht, so wird vermutet, durch unterschiedliche Wahrnehmungsfilter, die uns beeinflussen.

Die Unterbrechungen von Frauenbeiträgen ist häufige
r, sie bestimmen weniger häufig das Thema des Gesprächs. Männer neigen zu verallgemeinernden Aussagen (z.B. "man müsste dringend mal wieder..."), während die Tendenz zu ich - Aussagen bei Frauen größer ist ("ich finde ..."). Sie verwenden auch rückversichernde Sprachmittel, sog. tag-questions (z.B. "nicht wahr?" oder "nicht?") häufiger. Diese können als Signale einer starken Orientierung an den jeweiligen Interaktionspartner/innen und als Orientierung an einem auf Konsens ausgerichteten Interaktionsverhaltens interpretiert werden.

Aufgrund dieser Ergebnisse kann ein weiblicher und ein männlicher Sprachgebrauchsstil unterschieden werden, wobei natürlich auch Männer einen typisch weiblichen Stil gebrauchen und umgekehrt. Dies ist nicht abhängig vom Geschlecht, sondern von der sozialen Determinierung.

Deshalb ist es gefährlich von weiblichen und männlichen Stil zu sprechen, da damit die traditionellen Rollenstereotype (die liebevolle-mütterliche Frau und der tatkräftige- kämpferisch Mann) gefestigt werden.

Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden in Forschungen aus Schweden so gedeutet, dass diese Reflexe einer geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Umwelt- und Situationsinterpretation sind: So nehmen Frauen Alltagssituationen häufiger als "Nähe-Situationen" wahr als Männer, nehmen also Menschen nicht so sehr in ihrer Rolle als Vertreter/in einer Institution wahr, sondern vielmehr als Individuum und Privatperson.

Studentische Kleingruppen wurden von Schmidt (1988) untersucht, die herausfand, dass Frauen eine kooperative kommunikative Orientierung haben, die Themenbearbeitung gemeinsam vorantreiben und fremde Gesprächsbeiträge berücksichtigen und unterstützen. Bei Männern überwiegt die eigene Wissensdarstellung.

Tannen (1990) geht davon aus, dass Frauen sich und andere in einem Beziehungsmuster eingebettet sehen, das auf Ebenbürtigkeit, Intimität und horizontale Vernetztheit beruht. Durch ihr Verhalten zeigen sie ihre Orientierung an dieser Form von Beziehung. Bei den Männern dominiert die hierarchisierende Dimension von oben und unten dominiert und sie streben die Unabhängigkeit an.
Auch das Lachen und Scherzen wird, so Groth (1989) und Kotthoff (1988), unterschiedlich verwendet: während Frauen mit dem Lachen und Scherzen andere in Gruppen integrieren, ein harmonisches und kooperatives Gesprächsklima schaffen, nutzen Männer dies als Mittel sozialer Kontrolle in Wettbewerbssituationen.

Geschlechtsspezifische Sprachbarriere oder situationsabhängiges Verhalten der Geschlechter?

Kommen Männer und Frauen in Gesprächen zusammen, ergibt sich das Problem, dass das weibliche Sprachverhalten unter Umständen den schulischen und beruflichen Erfolg von Frauen behindert. So hat der konsensorientierte Stil der Frauen den Nachteil, dass sie im Gespräch zu kurz kommen, da sie weder ihre Themen einführen können noch lange genug Redezeit haben, um ihren Standpunkt darzustellen.

Problematisch ist in Schulinteraktionen, dass oftmals die Jungen mehr Aufmerksamkeit bekommen, da sie lauter sind, mehr stören und sich damit die Aufmerksamkeit der Lehrer/innen sichern. Automatisch kümmern sich die Lehrer/innen mehr um sie (zwei Drittel ihrer Aufmerksamkeit), während die Mädchen, die eher angepasst und still sind und gute Mitarbeit leisten nicht die gleiche Förderung (ein Drittel ihrer Aufmerksamkeit) erhalten. Es gibt pädagogische Settings, die dieses Ungleichgewicht ausgleichen wie z.B. die Aufhebung des koedukativen Unterrichts für manche Fächer wie Mathematik oder Physik, oder Projektarbeit im Unterricht, der als geeignetste Lernform für einen geschlechtergerechten Unterricht gesehen wird (Kaiser, A. 1992)


 

Frauen und Männer müssen Strategien finden, die zur Veränderung der Geschlechterrollen und Stereotype beitragen, nur so können sie gleichberechtigt und herrschaftsfrei miteinander interagieren. Der sogenannte "männliche", d.h. wettbewerbs- und sachorientierte und weniger integrative Interaktionsstil darf nicht als Norm gesetzt werden, nach dem sich die Frauen zu richten haben, und auch der sogenannte typisch weibliche Stil, d.h. der kooperativ, beziehungsorientierte und integrative Gesprächsstil sollte nicht zur neuen Norm für die Männer erhoben werden.
Beide Stile sollten in der Kommunikation möglichst verbunden auftreten. Dann würden sich Männer und Frauen in der jeweiligen Situation je nach den Kommunikationsgegebenheiten eher "männlich" oder eher "weiblich" verhalten.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Vertiefung
des Themas:
Der bedürftig-abhängige Stil

 


 

 

 







Vertiefung
des Themas:
Der helfende Stil

 

 

 

 

 

 

 

 



Vertiefung
des Themas:
Der selbstlose Stil

 

 

 

 

 

 

 

 



Vertiefung
des Themas:
Der aggressiv-entwertende Stil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





Vertiefung
des Themas:
Der sich- beweisende Stil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





Vertiefung
des Themas:
Der sich distanzierende Stil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Vertiefung
des Themas:
Der mitteilungsfreudige -dramatisierende Stil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Literatur