Gesprächsanalyse
Geschriebene Sprache und gesprochenen Sprache unterscheiden sich
zum einen in ihrer Hervorbringungsart, aber auch in ihrer Form,
der Art ihrer Gestaltung.
Diese Unterschiedlichkeit bemerkt man erst, wenn man Gespräche
wie das folgende mitnotiert:
Uwe: |
Ja hallo hier is Uwe? |
Gitte:
Uwe: |
Jee Uwe he he
Lächelstimme
Hallo
|
Gitte:
|
Hallo was machstn du grad,?.hh
|
Uwe: |
Du ich bin hier grad bei Frank aufgelaufn
o- also besser gesagt ebm bei
|
Gitte: |
.hhh
|
Uwe: |
Frank weil ich ihm das
mit der Party morgen erzähln wollte da,? |
Gitte: |
Ja: |
Uwe: |
und heute abend und
dann hier: fahr ich jetz nach Hause. |
Gitte: |
Nee m-wa-was mir e-e:ingefalln
is ha-has du dein Sakko von Mike schon abgeholt?.hh |
Uwe: |
Nee:ee das zu-wollt
ich für heute nachmittag gleich irgndwann abholn |
(Gesprächsbeispiel aus Egbert: 2002.
Vereinfachte Transkription)
Wie oben sichtbar,
wird das Gespräch auf eine bestimmte Art aufgeschrieben,
dies wird Transkription
genannt. Dabei wird das Gehörte mit allen dialektalen oder
umgangssprachlichen Färbungen, allen Versprechern festgehalten,
wie im obigen Beispiel nachzuvollziehen ist. Auch können
paraverbale Ereignisse wie Ein- oder Ausatmen (.hh), Sprechtempo,
Tonhöhenverläufe und Akzentuierung der gesprochenen
Wörter eingetragen werden, ein Beispiel dafür ist z.B.
die Lächelstimme im hier aufgeführten Transkript. Alles
wird im Transkript festgehalten, um das Gesamtbild des Interaktionsverlaufs
vor Augen zu haben.
Auch wird die präzise und optisch klare Überlappung
von Parallelsprechphasen und Pausen ebenfalls festgehalten, dies
ist in unserem Transkriptionsbeispiel nicht zu sehen (vereinfachte
Transkription).
Ein normales Telefongespräch wie das im Beispiel oben führen
wir so oder ähnlich jeden Tag. Wir rufen Bekannte oder Freund/innen
an und plaudern ein bisschen. Dann legen wir auf, die Sache ist
abgeschlossen und wir machen uns weiter keine Gedanken. Oder doch?
Andeutungsweise sind doch einige Themen
angesprochen worden, die für die beiden Personen wichtig
zu sein scheinen - was Uwe gerade macht, die bevorstehende Party,
ein abzuholendes Sakko.
In unserem Beispiel handelt es sich um ein informelles Gespräch
und wir werden uns im Alltag wahrscheinlich nicht sehr intensiv
und systematisch damit beschäftigen. Die detaillierte Untersuchung
solcher "natürlichen "Gespräche unternimmt
die Wissenschaft der Gesprächsanalyse. In den letzten Jahrzehnten
hat sich diese wissenschaftliche Disziplin entwickelt, deren Konzentration
sich auf die Erforschung von Gesprächsstrukturen und -verläufen
richtet:
die Gesprächsanalyse/Konversationsanalyse.
Diese Forschungsrichtung ist stark interdisziplinär ausgerichtet,
sie umfasst soziologische Fragestellungen, interaktionale, psychologische
und nicht zuletzt linguistische Ansätze wie die Gesprächsforschung,
Soziolinguistik, Pragmatik. Je nach Ausrichtung ist diese Forschung
mehr von der einen oder anderen Richtung beeinflußt.
Die Gesprächsanalyse untersucht zum einen die
Organisationsform und zum anderen die thematisch-inhaltlichen
Prozesse von Gesprächen. Zur
Organisationsform gehören Fragen wie z.B: Wer spricht
wann, wie lange, wie oft, wer kommt auf welche Weise zu Wort?
Auch die Frage danach, welche Organisationseinheiten es im Gespräch
gibt wird hier gestellt.
Die zweite Untersuchungsperspektive bezieht
sich auf die Frage, wie ein Thema von den Gesprächspartner/innen
inhaltlich koordiniert wird, wie sie gemeinsam einen Gesprächsfaden
entwickeln. Die Frage nach den thematischen Einheiten im Gespräch
schließt daran an, nach hierarchischen Bezügen zwischen
den Einheiten und nach Formen und Möglichkeiten des Themenwechsels
zu suchen. Diese Forschungsebene wird vom folgenden Zitat ausgeführt:
"Voraussetzung der Gesprächsanalyse ist
die begründete Annahme, dass Konversationen
oder Gespräche nicht unstrukturiert
verlaufen, sondern dass diese "regelgeleitet"
sind. Eine Untersuchung dieser Regeln kann damit von
einem Gespräch als "Einheit" ausgehen. Dazu wird
dieses Gespräch in drei verschiedene Gesprächsphasen
eingeteilt, also in eine "Gesprächseröffnungs-phase",
einen "Mittelteil" und in eine "Gesprächsbeendigungsphase".
Diese unterschiedlichen Gesprächsphasen könnten noch
weiter differenziert werden hinsichtlich ihrer Funktion im Gespräch
als Ganzem und ihrer Funktion im jeweiligen Gesprächsthema.
Die soziale Funktion der Gesprächsphasen kommt deutlich
bei den sehr stark ritualisierten Gesprächseröffnungs-
und Gesprächsbeendigungsphasen z.B. in England und Amerika
zum Ausdruck, wo ein "how are you/how your're doing"
bzw. ein "it's been nice talking to you" vom semantischen
Gehalt als leer bezeichnet werden muss, während zugleich
das Fehlen dieser Gesprächseröffnungs- und Gesprächsbeendigungsformeln
negativ bewertet wird, sei das nun unhöflich, arrogant
oder aggressiv." Henne
/ Rehbock 2002
Die Beschäftigung mit der
Gesprächsanalyse ist von großem Wert, da die
Untersuchung von Gespräche verschiedenster Art deutliche
Aufschlüsse über Grundprinzipien und Abläufe
kommunikativer Handlungen gibt. Dabei sind die Ergebnisse
durch das Aufnehmen der Interaktionen auf Video oder Tonträger
immer wieder abgerufen, was zur Veranschaulichung und Überprüfung
bestimmter beobachteter Phänomene sehr hilfreich ist.
Die Wissenschaft der gesprochenen
Sprache hat ein hohes Anwendungspotential und ihre Ergebnisse
können und werden zur Optimierung von Gesprächen
in Schulen, Betrieben und Krankenhäusern, bei der Telefon-
und Online-Kommunikation eingesetzt.
|
Von der Gesprächsforschung geht es nun weiter zu Gesprächsführungsregeln,
die das miteinander sprechen in Gesprächen auf beiden Seiten
harmonisieren, und Missverständnisse vermeiden helfen:
REGELN der Gesprächsführung
Wir unterscheiden zwei Arten der Gesprächsführung:
Nicht direktive Gesprächsführung
- Möglichst Feedback geben statt Fragen stellen.
- Vorsichtige bzw. offene Formulierungen ("Kann es sein,
dass du dich heute nicht besonders gut fühlst").
- Als wichtig Empfundenes durch Wiederholung herausheben.
- Keine Autorität demonstrieren: keine Ratschläge
geben, keine Vorschriften machen, keine Du- Aussagen formulieren
(wie "Sie haben sich nicht klar ausgedrückt"
- statt dessen: "Ich habe Sie nicht ganz verstanden").
- Fragen nur stellen, um das Reden zu erleichtern, die Vertiefung
von Aussagen des anderen anzuregen (vernachlässigte Themenaspekte
zur Sprache bringen,
implizierte Voraussetzungen herausarbeiten) oder Ängste
zu zerstreuen.
- Fragen wenn, dann offen gestalten: statt "Haben Sie
Angst?": "Mit welchen
Empfindungen sind Sie in dieses Gespräch gekommen?".
- Gesprächsstruktur und -ziel transparent machen.
- Bei Pausen im Gesprächsfluss des Gegenübers geduldig
warten und erst nach längerer Zeit eine Frage im angesprochenen
Sinne formulieren.
Direktive Gesprächsführung
- Durch gezielte Fragen konkrete Informationen einfordern.
- Konkrete und bindende Formulierungen ("Wenn Sie während
der Arbeit trinken, verlieren Sie Ihre Stelle").
- Bei als wichtig empfundenen Aussagen weiter nachfragen.
- Den eigenen Status im Gespräch behaupten: lenkende
Fragen stellen, Angriffe abwehren, Regeln des Gesprächs
einklagen.
- Aussagen einordnen.
- Bei Bedarf auch mit geschlossenen Fragen, Alternativfragen
oder Fragen mit einer richtigen Antwort arbeiten.
- Eigenes Gesprächsziel verfolgen und Gesprächsstruktur
dementsprechend gestalten.
Ob Sie das Ziel ansprechen und die Struktur transparent machen,
ist abhängig vom Ziel, vom Thema und von der Rolle des
Gegenübers.
- Bei längeren Pausen auf der anderen Seite das Gespräch
übernehmen.
(Dieser Abschnitt folgt in einigen
Punkten der Darstellung im Reader "Gesprächsführung
und Verhandlungstechnik" von Lydia Drews)
Wir kommen jetzt zu Merkmalen von Gesprächssituationen,
die für eine wirksame Kommunikation besonders wichtig erscheinen.
Dazu gehören etwa die folgenden Punkte:
ZUHÖREN
Wenn wir Gespräche optimieren und wirksam gestalten wollen,
dürfen wir uns nicht nur auf uns selbst, unsere Absichten
und Verhaltensweisen konzentrieren. Wichtig ist, das Gegenüber
möglichst deutlich und genau wahrzunehmen, denn nur dann
können wir dessen Absichten, Stärken, Schwächen
etc. erkennen und gleichzeitig adäquat reagieren. Das zentrale
Mittel hierbei ist das AKTIVE ZUHÖREN.
Vor allem in der Konzeption des Psychologen Carl ROGERS spielt
das aktive Zuhören eine wichtige Rolle. Es unterscheidet
sich vom Hören ohne Hinhören,
denn auf dieser Stufe höre ich eigentlich nur solange zu,
bis ich - endlich - selbst zu Worte komme. Es setzt sich aber
auch ab vom Hinhören ohne Zuhören,
denn hier bleibt man im Grunde unbeteiligt und emotional distanziert.
Man tritt in keine wirkliche Kommunikation mit dem Gesprächspartner.
Demgegenüber ist das AKTIVE ZUHÖREN
gekennzeichnet durch folgende Aspekte:
- Der aktive Zuhörer hat vor allem die Fähigkeit zur
Empathie, er kann sich in den Anderen hineinversetzen, versteht
nicht nur das, was ausdrücklich gesagt wird, sondern nimmt
auch Zwischentöne wahr.
- Er schafft es, sich auf das Wesentliche in den verbalen Äußerungen
des Anderen zu konzentrieren und diese im Blick zu behalten.
- Er drückt durch eine zugewandte Körperhaltung aus,
dass er sich auf den Partner einlässt und hält einen
ständigen Blickkontakt.
- Er fragt bei Unklarheiten nach.
- Er nimmt seine eigenen Gefühle während des Gesprächs
wahr.
- Er kann auch Pausen aushalten und dem Anderen Raum geben.
- Er ist vorsichtig bei Bewertungen der Äußerungen
des Gesprächspartners.
Das aktive Zuhören kann man bis zu einem bestimmten Grade
lernen, etwa durch diese Techniken:
Paraphrasieren:
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Die Aussage wird mit eigenen
Worten wiederholt.
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Nachfragen: |
Beispiel: "Sie haben
also nicht gemerkt, dass Frau Müller sich beim Vorgesetzten
über Sie beschwerte? |
Weiterführen: |
Beispiel: "Sie haben
sich dann also maßlos geärgert, und dann?
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FRAGEN
Hierbei können wir etwa die folgenden Formen unterscheiden:
- rhetorische bzw. Suggestivfrage
- unterstellende Frage
- geschlossene Fragen
- Fragen mit einer richtigen Antwort
- Alternativfragen
- Offene Fragen,besonders:
- bewertungsorientierte Fragen
- Metakommunikative Fragen
- Weitergeleitete Fragen
Rhetorik
Sprechakt- und Sprechhandlungstheorie
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