1 Nachdenken über Kommunikation und Rhetorik

1.3 Wovon kann ich lernen? Bezugswissenschaften










Sprechakt- und Sprachhandlungstheorie

Die Sprechakt- und Sprachhandlungstheorie nimmt in der Sprachwissenschaft zum ersten Mal Sprechen und Kommunikation als Handeln in das Blickfeld. Sprechen kommt meist aus nichtsprachlichem Handeln zustande und führt auch wieder dahin zurück.

Dazu ein Beispiel:

Jemand repariert ein Auto (nichtsprachliches Handeln) und sagt zu seinem Kollegen:
"Gib mir mal den 12er Ringschlüssel." Der Mechaniker bekommt den Schraubenschlüssel gereicht.
Das sprachliche Handeln führt darauf wieder ins nichtsprachliche Handeln zurück.

Fragen allerdings verlangen wieder ein sprachliches Handeln:
Frage:"Hast du deine Schularbeiten gemacht?"
Antwort: "Noch nicht ganz, ich musste noch bei Karin etwas nachfragen."

Zu den Inhalten der Sprechakttheorie einige Zitate:

Karl Schuster (1998: S.186) hat die Gegenstandsbereiche und Leistung der Sprechakttheorie gut verständlich zusammengefasst. Er schreibt:

"Die Sprechakttheorie betont den Handlungscharakter einer Sprache.
Die zentralen Fragen, mit denen ein Sprechhandlungstheoretiker an sprachliche Phänomene herangeht, lauten:
1. Was tun wir, wenn wir sprechen? und
2. Was tun wir, indem wir sprechen?
Für die Sprachhandlungstheorie gibt es also den Gegensatz zwischen 'tun' und 'sprechen' nicht, der im Alltagsbewusstsein besteht."

Die Sprechakttheorie wurde von John L. Austin 1955 in einer Vorlesung entwickelt. Nach seinem Tod hat man eine Nachschrift dieser Vorlesung unter dem Titel: "How to do things with words" herausgegeben. Dieses ist die Urschrift der Sprechakttheorie.
Wirksam geworden ist die Theorie in der Sprachwissenschaft jedoch erst richtig durch das 1969 veröffentlichte Buch "Speech acts" von Austin's Schüler John R. Searle.
Die Rezeption beider Veröffentlichungen hat die sogenannte "pragmatische Wende" in der Linguistik ganz entscheidend vorangebracht.
(vgl. Linke, A.; Nussbaumer; Portmann: Studienbuch Linguistik. 3. Aufl.. Tübingen 1996, S.182f)

"Wenn wir davon ausgehen, dass einen Satz sagen bedeutet: eine Äußerung machen, d.h. in einer Situation und zu einem Gegenüber etwas sagen, dann müssen wir damit rechnen, dass jede Äußerung dazu bestimmt ist, eine Handlung zu vollziehen, dass Sprechende mit jeder Äußerung 'etwas' tun. Und zwar auch dann, wenn einer vermeintlich bloß etwas feststellt. Auch eine Äußerung wie "Ich habe heute 150 Seiten Syntaxtheorie gelesen" wird nicht einfach dazu produziert, um eine Proposition (eine Aussage über die Welt, die falsch oder wahr sein kann; B.B.) auszudrücken.
Auch wer konstativ etwas festhält, verbindet damit Absichten, die weiter gehen: Er hat Gründe, dies mitzuteilen, er handelt kommunikativ. Zumindest will er, dass wir ihm glauben- d.h. er will, dass wir nicht einfach feststellen, dass er eine Proposition geäußert hat, die wahr oder falsch sein kann, vielmehr verbindet er mit seiner Äußerung den Anspruch, dass sie wahr ist und dass wir ihm dies abnehmen und vielleicht sogar denken: ist der fleißig!"
Linke; Nussbaumer; Portmann 1996: S.186

Nach Searle bestehe "der Grund für die Konzentration auf die Untersuchung von Sprechakten (...) einfach darin, dass zu jeder sprachlichen Kommunikation sprachliche Akte gehören. Die Grundeinheit der sprachlichen Kommunikation ist nicht, wie allgemein angenommen wurde, das Symbol, das Wort oder der Satz, (... ), sondern die Produktion oder Hervorbringung des Symbols oder Wortes oder Satzes im Vollzug des Sprechaktes." (vgl. Searle 1971, S. 30)

Nach Searle wird jeder Sprechakt in vier Teilakte untergliedert:

1. in den Äußerungsakt, der in der Regel in der Artikulation eines Satzes besteht: Während der Satz aber eine durch theoretische Abstraktion gewonnene Einheit des Sprachsystems ist, ist der Äußerungsakt der Gebrauch eines Satzes in einer bestimmten historischen Situation.

2. in den propositionalen Akt, dieser gliedert sich seinerseits in:

a) den Referenzakt, indem der Sprecher auf ein Objekt (Person, Gegenstand, Sachverhalt) oder auf mehrere Objekte sprachlich Bezug nimmt und
b) den Prädikationsakt, mit dem der Sprecher einem Referenzobjekt (Person, Gegenstand, Sachverhalt) bestimmte Eigenschaften zuspricht bzw. eine
bestimmte Beziehung zwischen mehreren Referenzobjekten ausdrückt.'

3. in den illokutionären (illokutiven) Akt, der darin besteht, dass mit dem Vollzug eines Äußerungsaktes und eines propositionalen Aktes zugleich eine bestimmte situations- und adressatenbezogene kommunikative Handlung (Frage, Warnung, Rat, Befehl, Feststellung usw.) vollzogen wird.

4. in den perlokutionären Akt, unter diesem Begriff sind die Wirkungen zusammengefasst, die ein Sprechakt beim Adressaten auslöst oder auslösen soll. (Der Adressat wird überzeugt, überredet, erschreckt usw.)."


(vgl. Karl Schuster nach: Bayer 1982: S.19/20)

Zentral in der Sprechakttheorie ist also der illokutionäre Akt, der den Handlungsvollzug ausdrückt: "Wie ist etwas gemeint?"

Sie können aus Ihrer kommunikativen und sozialen Erfahrung meist sehr gut entscheiden,"wie etwas gemeint ist", indem Sie ein Verb des Sagens und Meinens
- ein sogenanntes performatives Verb - vor die entsprechende Äußerung setzen.

 

 

Gesprächsanalyse Sprechwissenschaften und Sprecherziehung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Übungen
performatierte Verben