1 Nachdenken über Kommunikation und Rhetorik

1.3 Wovon kann ich lernen? Bezugswissenschaften










Rhetorik

Einführung

Die fünf Produktionsstadien der öffentlichen Rede

Rhetorische Figuren und Topoi

Einführung

Wir alle können reden -nicht zuletzt diese Fähigkeit macht uns zu Menschen, wie allgemein angenommen wird.
Diese zunächst schlichte Feststellung hat weitreichende Konsequenzen. Diese wurden bereits in der griechischen und römischen Antike erkannt, der Zeit, in der die Redekunst entwickelt wurde.

Die großen Theoretiker der Rhetorik (Aristoteles, Cicero und Quintilian) führten aus, dass zur "Redefähigkeit" (lat. natura) als Naturanlage die folgenden zwei Dinge hinzukommen müssen, will der Mensch nicht nur einfach reden, sondern "gut" reden.


1. KUNST UND WISSEN (lat. ars, doctrina)
Kunst hat hier nun nichts damit zu tun, dass wir ein wirklich künstlerisches Produkt herstellen, also ein Bild oder ein Gedicht. Der Begriff bezeichnet vielmehr eine bestimmte, hier überwiegend verbale Fähigkeit, die Redekunst. Die Kunst, ein Anliegen in einer gekonnten, präzisen und ansprechenden Weise formulieren zu können. Diese aber ist nicht natürlich gegeben, sie muss erlernt und gefestigt werden durch die Übung im sprachlichen, rednerischen Ausdruck. Zugleich ist es erforderlich, ein bestimmtes Wissen zu besitzen, wie z.B. bei einem Autokauf die Autopreise oder den Zustand des Pkws. Aber man muss auch etwas über das Gegenüber, unseren Kommunikationspartner/ unsere Kommunikationspartnerin, wissen: Ist er/sie kompromissfähig, kann er/sie seine Position gut vertreten, hat er/sie selbst Wissen über den Gegenstand etc. Natürlich muss man sich auch selbst gut kennen.

2. ERFAHRUNG UND ÜBUNG (lat. exercitatio)
In alle Gespräche mit anderen bringen wir Erfahrungen verschiedenster Art ein: über die Sache, um die es geht, aber auch über früher erlebte Gesprächsverläufe, und nicht zuletzt das, was wir Menschenkenntnis nennen; diese erwerben wir durch immer neue kommunikative Situationen des Dialogs, der Auseinandersetzung und der Übung.
Aber hier geht es noch um etwas Weiteres: Wir können eine Technik entwickeln, unser Anliegen möglichst verständlich und überzeugend vorzutragen: durch die Wahl unserer Worte, aber auch durch Stimmführung, Intonation etc. Mit diesem Teil beschäftigt sich die Sprecherziehung.


Historisch entwickelte sich die Rhetorik vor allem aus der Politik und dem Rechtswesen.
So konnten z.B. Eigentumsstreitigkeiten "vernünftig" entschieden werden.
An Äußerungsformen in Konflikten können wir auch heute die Grundformen des Rhetorischen ablesen. Ein Anwalt z.B. muss über Kunst und Wissen, Erfahrung und Übung verfügen, um seinen Klienten erfolgreich verteidigen zu können.

Dabei sind zwei Erkenntnisse für uns wichtig:

  • Menschen handeln zielorientiert (wenn auch nicht immer und gänzlich).
  • Verschiedene Menschen (z.B. Anwälte, die gegensätzliche Interessen vertreten) haben oft unterschiedliche Ziele.

Walter Jens nannte die Rhetorik die "Kunst des guten Redens (und Schreibens) im Sinne einer von Moralität zeugenden, ästhetisch anspruchsvollen, situationsbezogenen und auf Wirkung bedachten Äußerung, die allgemeines Interesse beanspruchen kann".

 

Rhetorik ist eine Erfahrungswissenschaft, die auf kontrollierter und empirisch nachweisbarer Beobachtung rhetorischer Sprechakte beruht. Sie versucht die Geltung der aus ihr gewonnenen Erkenntnisse durch historische Rekonstruktion und die Bildung von Hypothesen über die Systematik und die Regeln rhetorischen Sprechens zu sichern (Allgemeine Rhetorik).

Der Begriff Rhetorik bezieht sich auf die Theorie und Praxis der menschlichen Beredsamkeit in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten, ob sie in mündlicher, schriftlicher oder durch die in technischen Medien (Film, Fernsehen, Internet) vermittelte Form auftritt. Als wissenschaftliche Disziplin beschäftigt sich die Rhetorik mit der Analyse sprachlicher oder der Sprache analoger Kommunikation (körperliche Beredsamkeit), die wirkungsorientiert, also auf die Überzeugung des Adressaten hin ausgerichtet ist (persuasive Kommunikation).

Ziel der Rhetorik ist es seit ihrem Beginn, andere Menschen - Vertragspartner, ein Publikum, das Gericht, überhaupt eine Zuhörerschaft - zu überzeugen oder auch zu überreden. Beides wird mit dem lateinischen Begriff der PERSUASIO bezeichnet. Daraus ergeben sich auch die Formen, mit denen diese persuasive Wirkung erzielt werden soll:

- die rationale Überzeugungsarbeit mit Argumenten,
- die emotionale, affektive Einwirkung auf das Publikum.


Beides macht die Stärke der rhetorischen Kommunikation aus. Gerade aber gegenüber der emotionalen Überredung gab es auch immer wieder Kritik: Rhetorik erschien als Anleitung zur Lüge und der Manipulation, was sie natürlich auch sein kann, wie etwa die Reden von Hitler oder von anderen Demagogen zeigen.

 

Die fünf Produktionsstadien der öffentlichen Rede bilden das wichtigste systematische Einteilungsprinzip der Rhetorik. Diese Arbeitsschritte sind grundlegend für fast jede Art und regeln die Ausarbeitung eines Kommunikationsaktes vom Auffinden der Gedanken bis zum medialen Vortrag.
Inventio: Am Anfang steht die Erkenntnis des Themas, seine Zuordnung zu einer der drei klassischen Redegattungen (Gerichtsrede, Politische Rede, Festrede), und das Auffinden aller zur wirkungsvollen Behandlung des Gegenstands nötigen Argumente und Materialien. Zu deren Erforschung hat die Rhetorik ein eigenes System von Suchkategorien (Topik) ausgebildet, die personen- oder problembezogen alle möglichen Fundorte für Argumente, Beweise oder sonstige Belege erschließen.
Dispositio:

Im zweiten Arbeitsstadium hat der Autor die Gliederung des Stoffes festzulegen. Dabei bildet die Frage nach der Angemessenheit der Gliederung der Sache und dem Publikum ein wichtiges Kriterium.
Mit der Lehre von den vier Redeteilen hat die Rhetorik systematische Hilfestellungen für diese Aufgabe entwickelt.

Die vier Redeteile bestehen aus:

  • Einleitung (exordium),
  • Darlegung des Sachverhalts (narratio),
  • Argumentation und Beweisführung (argumentatio),
  • Redeschluß (conclusio, peroratio).
Elocutio: Das dritte Arbeitsstadium umfasst die sprachlich-stilistische Produktion der Rede. Die elocutio ist das differenzierteste Teilgebiet der Rhetorik.
Es umfasst die Figuren und Tropen sowie Regeln für den Wortgebrauch und die Satzfügung, soweit diese nicht grammatischen, sondern stilistisch-rhetorischen Zwecken dienen. Sprachrichtigkeit, Deutlichkeit, Angemessenheit in Bezug auf Inhalt und Zweck der Rede, Redeschmuck und Vermeidung alles Überflüssigen sind die obersten Stilqualitäten. Um allen Wirkungsintentionen zu entsprechen, hat die Rhetorik zum Teil sehr komplizierte Stillehren entwickelt, doch allein die wohl auf Theophrast zurückgehende Dreistillehre hat sich durchgesetzt und beherrschte die Geschichte der europäischen Beredsamkeit und Literatur bis ins 19. Jh.
Die Dreistillehre unterscheidet die schlichte, schmucklose, sowohl dem belehrenden Zweck wie der alltäglichen Kommunikation angepasste Redeweise, auf Unterhaltung und Gewinnung der Zuhörer ausgerichtet ist. Sie bedient sich des Redeschmucks auf eine temperierte Weise und soll so eine sympathische Beziehung zwischen Redner und Publikum herstellen.
Von diesen beiden abgesetzt wird als Alternative die großartige, pathetisch-erhabene Ausdrucksweise, die alle rhetorischen Register zieht und die Zuhörer mitreißen will, gesehen. Sie ist besonders handlungsbezogen und zielt auf Entscheidung und praktische Veränderung aufgrund der zuvor durch Darlegung und Argumentation erreichten Einstellungsveränderung oder -sicherung.

Memoria: Im vierten Stadium konzentriert sich der Redner auf das Einprägen der Rede ins Gedächtnis (memoria) mittels mnemotechnischer Regeln und bildlicher Vorstellungshilfen.

Actio: Das letzte Produktionsstadium besteht in der Verwirklichung der Rede durch Vortrag (pronuntiatio), Mimik, Gestik und sogar Handlungen (actio).
Die Rhetorik entwickelte eine ausgefeilte Sprechtechnik, Regeln zur körperlichen Beredsamkeit und in neuerer Zeit eine Rhetorik der Präsentation und der medialen Darbietung.
In diesem letzten rhetorischen Arbeitsstadium liegt auch der Ursprungsort der Schauspieler- und Theatertheorien sowie der "gesellschaftlichen Beredsamkeit", wie A. v. Knigge seine Kunst des "Umgangs mit Menschen" nannte.


 

Rhetorische Figuren und Topoi
(Sprachfiguren und feste Redewendungen)

Die Rhetorik hat für die Gestaltung von Reden verschiedene Figuren und Topoi entwickelt.

Die Lehre von den Topoi und Figuren ist ursprünglich ein Teil der antiken Rhetorik, daher spricht man von "rhetorischen Figuren". Es handelt sich um eine Vielzahl von Stilmitteln, die in der antiken Gerichtsrede, in der Literatur, in politischen Reden, Zeitungsartikeln, aber häufig auch in der Alltagsrede verwendet werden.

Figuren
Grundsätzlich meint eine Figur die Ersetzung einer direkten (natürlichen) sprachlichen Äußerung durch eine kunstvoll (häufig bildhaft) veränderte.
Bildformen wie die Metapher, der Vergleich, die Allegorie etc. gehören zu dieser Gruppe.

Topoi
Hierbei handelt es sich um eine rhetorische Formkategorie; Topoi sind festgefügte Wendungen, Formeln, Bilder, die sich in bestimmten Teilen der klassischen Rede anwenden lassen bzw. auf bestimmte Themen passen.
Die Topik als Lehre von den Topoi gibt seit der Antike Möglichkeiten, bestimmte Topoi aufzufinden.

Wichtige Informationen zur Rhetorik im Internet:
www.uni-tuebingen.de/Rhetorik/

Besonders interessant darin die folgenden Seiten:
Theorie und Praxis der Rhetorik
Studiengänge und Forschungsprojekte
Rhetorische Forschungsgesellschaften und Fachverbände
Text- und Redesammlungen

1.3 Wovon kann ich lernen Gesprächsanalyse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Vertiefung
des Themas
Geschichte der Rhetorik

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Zitat
von Gert Ueding