Stark
ohne Gewalt
Was
ist eigentlich Gewalt?
Ziele und mögliche Abläufe
eines Antigewalttrainings
Gewaltprävention
Die
BBC-Phase (Time between contact and crime)
Ziele
des Antigewalttrainings
(Unterrichts)praktischer
Umgang mit dem Thema Gewalt
Skizzen
des Ablaufs eines Antigewalttrainings in der Schule
Berichte
aus Antigewalttrainings
Innerhalb dieser Einheit unseres Programms wollen wir, auf die
schulische Situation bezogen, den Begriff der Gewalt weiter klären,
uns mit "Vorurteilen" beschäftigen, die zur Gewaltanwendung
führen können, Möglichkeiten des Schutzes und der
Prävention diskutieren, das Handlungsrepertoire der Teilnehmer/Innen
in potentiell gewaltträchtigen Situationen erweitern.

Stark ohne Gewalt
Unter diesem Motto gibt es immer häufiger Antigewalttrainingsprogramme
an verschiedenen Schulen. Entscheidend ist dabei der Gedanke der
Prävention: Gewalt soll nicht erst dann bekämpft werden,
wenn sie manifest ist und erhebliche Störungen und Verletzungen
hervorgerufen hat.
Am Anfang dieser Einheit werden einige Fragen stehen, die auch
in der Öffentlichkeit immer stärker diskutiert werden:
Hat die Gewalt an Schulen, wie oft behauptet,
zugenommen?
Hat sich die Qualität von Gewalt geändert?
Oder sind wir einfach sensibler geworden, wenn es um dieses Thema
geht?
Wissenschaftliche Untersuchungen liefern in diesen Punkten zwar
noch keine eindeutigen Ergebnisse, u. a. weil ältere Erhebungen
zum Vergleich fehlen doch scheint die Gewaltbereitschaft insgesamt
gestiegen zu sein. Spektakuläre Ereignisse beschäftigen
zunehmend Medien und Gerichte. Moralische und auch autoritative
Grenzsetzungen greifen immer weniger.
Auf jeden Fall aber besteht bei vielen Schüler/innen und
Lehrer/innen ein subjektiv wahrgenommenes Gefühl von Angst
und Bedrohung. So tragen Schüler/innen manchmal Waffen
bei sich oder bleiben aus Angst der Schule fern. Und Lehrer/innen
trauen sich nicht immer, Grenzen durchzusetzen. Außerdem
war und ist kaum von der Hand zu weisen, dass es im Schulalltag
tatsächlich schon immer und immer wieder Akte von direkter
oder indirekter Gewalt gibt - auch körperlicher Gewalt, der
damals wie heute entgegenzuarbeiten ist.
Gewalt gehört zu unserem Leben - wir erfahren sie in verschiedenen
Formen privat und in Institutionen, auch der Institution Schule.
Im Großen wird sie uns medial in der Berichterstattung über
Kriege und inner- wie interstaatliche Konflikte vorgeführt.
Dennoch gibt es eine große Wirksamkeit gewaltlosen Handelns.
Manchmal ist die Wirkung der Gewaltlosigkeit sogar größer
als die Wirkung gewaltsamen Handelns.
Wir wollen deshalb hier eine Äußerung jenes politischen
Führers - Mahatma Gandhi - anführen, der in der Weltpolitik
des 20. Jahrhunderts für die Wirksamkeit der Gewaltlosigkeit
bei der Erreichung politischer Ziele - hier der Unabhängigkeit
Indiens - steht.
Überlegen Sie, wie der folgende Text im Hinblick auf unser
spezielles Thema, die Schulung in der Gewaltvermeidung, zu verstehen
ist:
"Ich erkannte, dass das Gesetz der Liebe wirksamer ist, als
das Gesetz der Zerstörung je sein könnte. Je mehr ich
an diesem Gesetz arbeite, umso größere Freude empfinde
ich am Leben, an dem Aufbau des Kosmos. Es gibt mir Frieden und
den Sinn der Geheimnisse der Natur, wie es mit Worten zu schildern
nicht in meiner Macht steht.
In unserer Zeit, in der so viel Wunderbares geschieht, wird niemand
behaupten, eine Sache oder Idee sei wertlos, weil sie neu ist.
Zu sagen, eine Sache sei unmöglich, weil sie schwer durchführbar
ist, steht gleichfalls nicht im Einklang mit dem Geist unserer
Epoche. Wir erleben täglich Dinge, von denen niemand auch
nur geträumt hätte. Das Unmögliche wird fortlaufend
möglich. Wir werden heutzutage von den erstaunlichsten Entdeckungen
im Bereich der Gewaltanwendung überrascht. Ich verfechte
jedoch die Ansicht, dass noch weit unerhörtere und scheinbar
noch unmöglichere Entdeckungen im Bereich der Gewaltlosigkeit
gemacht werden können." (Mahatma
Gandhi)

Was ist eigentlich Gewalt? Was
sind eigentlich Gewalthandlungen?
Woran erkennt man sie?
Diese Fragen sind nicht immer einfach zu entscheiden.
Wir beschreiben deshalb zunächst jeweils in einem kurzen
Satz bestimmte Handlungen, die möglicherweise in sehr unterschiedlicher
Weise als "Gewalthandlungen" zu bezeichnen sind:
- Ein Vater reißt sein Kind, das auf
die Straße gelaufen ist, vor einem Auto weg und tut ihm
dabei sehr weh.
- Ein Mädchen klaut aus der Klassenkasse
5 Euro.
- Atomkraftgegner blockieren einen Atommülltransport.
- Eine Autofahrerin fährt in der 30
km/h-Zone 60 km/h.
- Die Mutter gibt ihrem Kind einen Klaps
auf den Po.
- Der Lehrer gibt einer Schülerin eine
schlechte Note.
- Die Schülerin lässt einen Klassenkameraden
nicht abschreiben.
- Ein Inline-Skater fährt mit 30 km/h
in der Fußgängerzone.
- Passanten schweigen, als eine dunkelhäutige
Frau beschimpft wird.
- Ein Obdachloser erfriert.
Grundsätzlich können wir zwei Grundformen der Gewalt
unterscheiden:
die seelische Gewalt (also etwa das Mobbing, das meist eine
indirekte Gewalt ist) und die physische Gewalt, also die
direkte Gewalt (Körperverletzung). Beide Formen finden sich
in schulischen Konfrontationen, und häufig treten sie auch
gemeinsam auf. Die Unterscheidung ist jedoch wichtig, wenn es
darum geht, sich zur Wehr zu setzen und/oder Hilfe zu finden.
Ziele und mögliche Abläufe eines Antigewalttrainings:
1. Gewaltprävention
Um zu einem wirksamen Schutz vor Gewalt zu gelangen, sind präventive
Maßnahmen notwendig, die in der Schule alle Beteiligten
betreffen:
Auf der Schüler/innenseite geht es darum,
- eine Erweiterung der sozialen Kompetenz zu erreichen,
- alternative Wege zur Schädigung von Personen und Sachen
zu kennen und zu beschreiten,
- eine verbesserte Außen- und Selbstwahrnehmung zu fördern.
Auf der Lehrer/innenseite ist anzustreben,
- eine spezifische Kompetenz im Umgang mit gewaltträchtigen
Situationen zu erwerben,
- über ein Trainingsverfahren zu einem besseren Umgang
mit in der Schule auftretendem Stress zu gelangen,
- durch Supervision konkrete Möglichkeiten der "Entschärfung"
aggressiver Situationen zu finden und diese zu kontrollieren.

2. Die BCC-Phase (Time between contact and crime)
Was ist BCC?
Diese Phase bezeichnet den Zeitraum des ersten Kontaktes zwischen
potenziellen Opfern und Täter/innen und der möglichen
Gewalthandlung. Aus unserem Alltag sind uns unterschiedliche Varianten
der BCC-Phase geläufig, wie z.B. das Auflauern und Konflikte
auf dem Schulweg, unliebsame Begegnung in der Straßenbahn,
beim Kneipen- oder Discobesuch, usw..
Umgang damit
Es gilt dabei schon im ersten Augenblick die Situation zu analysieren
und zu entscheiden, ob vielleicht Rückzug oder Ausweichen
noch möglich ist. In der Realität ist es leider nicht
immer einfach, sich solchen Auseinandersetzungen zu entziehen.
Daher vermittelt das Antigewalttraining den Teilnehmer/innen für
solche Situationen ein breites Handlungsrepertoire. Durch frühzeitige
Wahrnehmung und das Durchbrechen von negativen Verhaltens- und
Handlungsschemata können Konflikte bewältigt werden,
ohne dass es zu einer körperlichen Konfrontation kommen muss.
Denn Stärke ist nicht ausschließlich gleichzusetzen
mit Körpergröße und/oder Muskelkraft. Es gilt
individuelle Stärken zu entdecken sowie situations- und altersgerechte
Abwehrstrategien zu entwickeln.
Wichtig ist die frühzeitige Wahrnehmung einer Konfliktsituation,
das Durchbrechen von Verhaltens- und Handlungsschemata sowie der
Einsatz von Selbstverteidigungstechniken bei einer weiteren Eskalation.
3. Ziele des Antigewalttrainings
Hauptziele eines Antigewalttrainings sind:
- Erweiterung des Handlungsrepertoires der
Teilnehmer/innen in gewaltträchtigen Situationen (z.B.
Zeitgewinn, deeskalierende Gesprächsformen, Möglichkeiten
der Distanzwahrung etc.),
- Förderung von eigenverantwortlichem
Handeln (Umgehen mit dem eigenen Schutzbedürfnis oder der
eigenen Disposition zur Gewalt, Übernahme von Verantwortung
für die eigene Sicherheit etc.),
- Verständnis für Körpersprache
und Körperbeherrschung (Anzeichen der Gewaltbereitschaft,
aggressionsmindernder Körperausdruck etc.),
- Selbstbehauptung/Selbstverteidigung: Tätigkeiten,
Fertigkeiten und Kenntnisse kennen zu lernen und anzuwenden
(Kampftechniken, Ausweich- und Ausfallschritte, Selbstverteidigungsmaßnahmen
etc.),
- Stärkung des Gruppen- /Klassenverbandes
insgesamt, sowie der Solidarität mit seinen schwächeren
Mitgliedern.
4. (Unterrichts-)Praktischer Umgang mit Gewalt
Wie man konkret mit dem Gewaltthema umgehen kann, beschreibt ein
Schüler, Gülcin Durmus, in einer Unterrichtseinheit,
in der es um Sensibilisierung ging, aber auch darum, Mittel gegen
Gewalt zu finden. Hier ein Ausschnitt aus seinem Bericht:
"Wir lernten durch Rollenspiele, wie wir uns in verschiedenen
Situationen, die mit Gewalt zu tun haben, am besten zu verhalten
haben. Das Wichtigste war für uns, dass es wesentlich besser
ist, frühzeitig durch Wachsamkeit eine drohende Gefahr zu
erkennen und ihr aus dem Weg zu gehen (nicht zu flüchten,
weil das den möglichen Täter aufstacheln könnte,
wenn er die Angst erkennt!). Lange diskutierten wir über
"Feigheit" und "Ehre verlieren", kamen fast
einstimmig überein, dass ein Ausweg aus der Gewalt der bessere
und "gesündere" Weg ist.
Der Tipp von Stephen, nicht in den Angriff zu gehen, sondern beispielsweise
Kleidung oder andere Gegenstände widerstandslos herauszugeben
und uns die Person dabei sehr gut zu merken, um später eine
eventuell notwendige Täterbeschreibung machen zu können,
kam zuerst nicht sehr gut an. Einige hatten Angst, dann vom Täter
bedroht zu werden. Aber Stephen berichtete von mehreren Beispielen,
wo auch andere ähnliche Ängste hatten, aber dann doch
eines Besseren belehrt worden sind.
Yvonne und Stephen haben uns dann noch gesagt, dass wir in unserem
Stadtspiel <http://www.eso.cidsnet.de/stadtspi.htm>,
wenn wir die verschiedenen Beratungsstellen aufsuchen, einige
Hilfen für "Opfer" angeboten bekommen würden.
Zum Schluss haben wir geübt, kurze Personenbeschreibungen
anzufertigen. Auch hier gab es wieder nützliche Tipps von
Stephen, wie gut und schnell man sich besondere unveränderliche
Merkmale einprägen kann, auch wenn man aufgeregt ist.
Die meisten Schüler waren am Schluss der Meinung, dass ein
Antigewalttraining eine gute Sache ist, die möglichst jeder
Mensch in unserer Gesellschaft ein oder mehrere Male gemacht haben
sollte."
5. Skizze des Ablaufs eine Antigewalttrainings in der Schule
Die folgenden Elemente wurden innerhalb eines Antigewalttrainings,
das erfolgreich an Schulen erprobt wurde, verwendet. Sie können
als Anregung gelten, selbst etwas Ähnliches durchzuführen.
Theoretische und situative Einführung
Beim Einstieg in die Thematik wird mit den Teilnehmer/innen auf
der kognitive und der emotionalen Ebene gearbeitet:
- Gemeinsames Erarbeiten von Kommunikations- und Verhaltensregeln
während des Trainings,
- Definitionen in der Gewaltthematik (körperliche-seelische
Gewalt/Täter-Opfer-Beziehung).
Interaktive Übungen
Bei diesen Übungen ("Fahrstuhl", "Die Gasse",
etc.) besteht für die Schüler/innen die Möglichkeit,
sich einer fiktiven Gewaltsituation im "Schonraum" Klasse
auszusetzen.
Die Reflektion erfolgt in einem intensiven Gespräch, das
des weiteren die Erarbeitung von Verhaltensweisen in der BCC-Phase
(z.B. Körperhaltung, Einsatz von Stimme, Öffentlichkeit
schaffen, Hilfe anfordern) beinhaltet. An dieser Stelle wird auch
die persönliche Territorialzone definiert.
Kurzeinführung in die Selbstbehauptung
und Selbstverteidigung
Hier gilt das schon oben unter Gewaltprävention Angedeutete.
Gewaltprävention in dem Bereich von Selbstbehauptung und
Selbstverteidigung bedeutet, einen Lernprozess in Gang zu setzen:
Stärke ist nicht ausschließlich gleichzusetzen mit
Größe und über Muskeln definierte Kraft.
Es gilt, individuelle Stärken zu entdecken sowie situations-
und altersgerechte Abwehrstrategien zu entwickeln. Durch Sensibilisierungs-,
Selbstbehauptungs-, Kommunikations- und Selbstverteidigungstraining
soll das Selbstvertrauen der Teilnehmer/innen gestärkt werden.
Selbstvertrauen und selbstsicheres Auftreten sind wichtig, um
mit alltäglichen Ängsten besser umgehen zu können,
sowie bedrohlichen Situationen schon im Vorfeld
entgegenzuwirken.
Der geschlechtsspezifische Aspekt in einem Antigewalttrainig:
Geschlechtsspezifische Selbstverteidigung
Es ist eindeutig, dass Gewalt und Gewaltanwendung eine deutlich
geschlechtsspezifische Dimension hat: Jungen und Mädchen
erfahren drohende Gewalt, eigene Gewaltbereit-schaft und aktuelle
Gewaltsituationen als aktiv oder passiv Agierende unterschiedlich.
Dies betrifft auch - aber nicht nur - sexuelle Gewaltanwendung.
Deshalb ist es notwendig, sowohl für Mädchen als auch
für Jungen ein Raum zu schaffen, wo Gewalterfahrungen, Ängste
und Unsicherheiten Thema sind.
In der praktischen Arbeit (Antigewalttrainings) erweist es sich
oft als produktiv, Gruppen zu trennen, da durch die geschlechtshomogene
Arbeit für Mädchen/Frauen als auch für Jungen/Männern
ein "Frei-"Raum geschaffen wird, in dem Ängste
und Unsicherheiten Thema sein dürfen. Außerdem unterscheidet
sich das Erleben von gewaltträchtigen Situation bei Mädchen/Frauen
(z.B. sexuelle Belästigung, Vergewaltigung) erheblich von
der männlichen Gewalt untereinander (Revierkämpfe",
Kräftemessen" etc.).
Daher ist unbedingt notwendig, geschlechtsspezifische Strategien
in Form von unterschiedlichen Techniken in der Selbstverteidigung
zu vermitteln.
Durch Sensibilisierungs-, Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungstraining
wird das Selbstvertrauen der Teilnehmer/innen gestärkt. Selbstvertrauen
und selbstsicheres Auftreten sind wichtig, um mit alltäglichen
Ängsten besser umgehen zu können sowie bedrohlichen
Situationen schon im Vorfeld entgegenzuwirken.
Komplexe Beispiele für gewaltträchtige Situationen
erörtern:
- Ein Mann versucht, seine Freundin zu überreden, mit ihm
zu schlafen, obwohl sie bereits Nein gesagt hat.
- Ein Politiker nennt Flüchtlinge "Asylschmarotzer".
- Gewerkschaftsmitglieder versuchen, Arbeitswillige am Zugang
zum Betrieb zu hindern
Versuchen Sie, zu diesen Beispielen folgende Fragen zu überlegen
und dann zu beantworten:
- Wo könnte bei diesem Beispiel der Gewaltcharakter liegen?
- Welche Art von Gewalt wird angewendet?
- Um welche Schwere handelt es sich: sehr schwer, schwer, minder
schwer?
- Gäbe es Gründe, in einem bestimmten Fall diese "Gewaltanwendung"
zu rechtfertigen?
- Handelt es sich dann noch um wirkliche Gewalt?
Sie werden feststellen, mit der Erörterung solcher Beispiele
werden Fragen aufgeworfen, die tief in die Sphären des Politischen,
des Moralisch-Ethischen, sogar des Religiösen reichen. Sie
berühren auch die persönliche Verantwortung. Deshalb
zum Schluss die folgenden Fragen:
- Wie würden Sie sich in den angesprochenen Fällen
als beteiligte oder beobachtende Person verhalten?
- Welche Gründe können sie für dieses Verhalten
anführen?
Körpersprache
Anhand von praktischen Beispielen wird zur Schulung der Fremdwahrnehmung
die Theorie der Körpersprache erarbeitet. Innerhalb unseres
Programms finden Sie eine eigene
Einheit
zur Körpersprache. In diesem Zusammenhang sind vor allem
Drohgebärden und aggressive Körperhaltungen relevant
- aber auch körpersprachliche Formen, die eine Deeskalation
ermöglichen.
Techniken, Geschicklichkeit, Zusammenarbeit,
Kommunikation
Zum Abschluss lassen sich sehr gut interaktive Übungen, wie
z.B. "Bodyguard", "Der Stuhl ist mein", "Demo"
einsetzen, bei denen die Teilnehmer/innen in spielerischer Form
die bewusste Beeinflussung der BCC-Phase trainieren können.
Die Elemente der Selbst-behauptung/Selbstverteidigung haben dabei
eher eine psychologische unterstützende Wirkung (Stärkung
des Selbstbewusstseins, Selbstvertrauens).
6.BERICHTE AUS ANTIGEWALTTRAININGS
1. Hauptschule Rothenburg
Unter dem Titel "Faust gegen Wort" schreibt
Bettina Thoenes zu einem an dieser Schule durchgeführten
Antigewalttraining in der "Braunschweiger Zeitung" vom
20. Juli 1999
u.a.:
Kalle baut sich breitbeinig vor dem Schüler auf. "He,
was sollst du sagen? Ich bin der Herr der Gasse. Sag das. "Kalle
packt ihn."Jetzt gib dein Hemd her. Und die Geldbörse.
War's das schon? Noch die Turnschuhe." Kalle tut zufrieden,
lässt den Achtklässler vorbei. Er hat bekommen, was
er wollte.
"Täter suchen jemanden, den
sie in den Staub treten können, sie suchen den Kick."sagt
Karl-Heinz Emter der den Kalle gespielt hat und Sozialarbeiter
ist.
Im Rollenspiel demonstriert er den Schülern der 7. und 8.
Klassen der Hauptschule Rothenburg/Weststadt, wie mies, wie erniedrigt
man sich als Opfer fühlt - und wie man sich vor Gewalt schützen
kann.
Aktiver Opferschutz ist Teil des Antigewalttrainings, das ein
Team von Sozialarbeitern und Sicherheitstrainern zur Zeit modellhaft
an der Rothenburg-Schule anbietet. Die Initiatoren, Mitarbeiter
der Jugendzentren Broitzem und "Rotation" in der Weststadt,
gehören dem Braunschweiger Arbeitskreis Gewaltprävention
an. Der Schulleiter Dr. Harald Wiesner ist über die Unterstützung
seitens der Jugendhilfe froh und führt dazu aus:
"Die Gewaltbereitschaft von Schülern ist allgemein
gestiegen", Präventionsarbeit tue not. Wie groß
der Bedarf danach ist, zeigen die rund zehn Anfragen von Schulen,
die den Arbeitskreis Gewaltprävention wöchentlich erreichen.
Das beschriebene Projekt knüpft an das ökumenische
Projekt "Schritte
gegen Tritte" an, das Pastor Klaus Burckhardt bereits
mit Erfolg unter anderem an der Hauptschule Rothenburg durchgeführt
hat.
In diesem Antigewalttraining werden die Schüler/innen nun
im Schonraum des Rollenspiels mit gewaltgeladenen Situationen
konfrontiert, setzen sich mit den Ursachen der Gewalt und mit
der Täter-Opfer-Rolle auseinander.
"Viel Gewalt entsteht aus Sprachlosigkeit", sagt der
Sozialarbieter Karl-Heinz Emter.
Ziel sei der "Waffentausch: Faust gegen Wort." Die Jugendlichen
sollen sich mit ihren Verhaltensweisen auseinandersetzen - als
potentielle Täter oder Opfer. Im anschließenden Sicherheitstraining
üben sie Selbstbehauptung und Selbstverteidigungstechniken.
Die Trainer wissen:
Mit einem einwöchigen Projekt allein ist es nicht getan.
Als nächsten Schritt bereiten sie die Ausbildung
von Schüler/innen zu Streitschlichter/innen und Konfliktlots/innen
vor. Diese sollen bei Problemen Ansprechpartner sein, vermitteln
und beraten. Sinnvoll, meint Karl-Heinz Emter, wären zum
Beispiel auch schulinterne Lehrerfortbildungen zu diesem Thema.
Gunter Kröger schwebt eine Vernetzung von Schule und Jugendhilfe
in der Gewaltprävention vor. Wie in dem oben beschriebenen
Modell, so seine Vorstellung, können z.B. Mitarbeiter/innen
der Jugendzentren an Schulen vor Ort Antigewalttrainings-Programme
umsetzen.
2. Das Projekt "Stark ohne Gewalt" des Schulzentrums
Zell
Hier (gekürzt) der Versuch einer Schule, ein weitgehend schülerorganisiertes
Anti-Gewalttraining durchzuführen:
Jugendliche treffen in ihrem Umfeld zunehmend auf Gewalt. Um
dieser Tatsache zu begegnen, hatten sich die Verantwortlichen
aller drei Schularten des Schulzentrums Zell zur Durchführung
eines Anti-Gewalt-Trainings entschlossen.
In einer gemeinsamen Aktion setzten sich alle Achtklässler
des Schulzentrums zunächst mit der Begriffsbestimmung von
Gewalt auseinander. Es wurde den Schülern bewusst, dass es
leichter fällt, bei einem anonymen Menschen Gewalt anzuwenden,
als bei einem Bekannten. Anhand von Rollenspielen sahen sich die
Schüler auch mit den verschiedensten Vorurteilen gegenüber
auffälligen sozialen Gruppen konfrontiert.
Wer ist gewalttätig?
|
Was kann ich tun?
|
Wie schütze ich mich?
|
|
Diese Fragen musste jeder
für sich beantworten.
Lebhaft diskutierend fand man eigenständige Lösungsansätze,
die den jeweiligen Situationen angemessen waren. Ermutigend
war, dass alle Situationen, in denen die Schüler/innen
Regie führten, von einer spontanen Hilfsbereitschaft
getragen waren. Man wollte dem Bedrängten zu Hilfe eilen,
ohne sich selbst zu gefährden. Der Anteil der Gewalt
sollte dabei reduziert werden, "deeskalieren". |
Der letzte Teil des Trainings beschäftigte sich mit der
Frage der "Prävention", der Vorbeugung: Wie
können wir den Ausbruch solcher Konflikte vermeiden?
Die sechzehnjährige Julia Ott von der Schule für Lernbehinderte
fasst stellvertretend für alle Teilnehmer die Ergebnisse
zusammen:
"Ich fand besonders gut, dass wir gelernt haben, sich
mit Worten zu wehren. So vermeidet man, dass man gleich draufhaut."
Was aber sollen die Jugendlichen tun, wenn die Auseinandersetzung
unumgänglich ist? "Bittet die Umstehenden gezielt um
Hilfe und gebt euch nicht mit der Opferrolle ab!", empfiehlt
Hubert Lenz. "Es gibt keine Patentrezepte", ergänzt
Dieter Michel, "doch ein entschlossenes gemeinsames Auftreten
kann sehr hilfreich sein." Den Schüler/innen gefiel
dieses Projekt. Neben einer ganzen Reihe an "action",
die sie selbst produzierten, gingen sie nach Hause in dem Bewusstsein:
Heute haben wir wirklich etwas für das Leben gelernt!
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