4 Konfliktbearbeitung und Konfliktlösung

4.4 Negative und pervertierte Konfliktbearbeitung, z.B. Mobbing









Wo gibt es Mobbing?
Mobbing als Gegenstand der Forschung
Erfahrungen mit Mobbing
Was kann man gegen das Mobbing unternehmen? Wie kann man sich wehren?
Information, Rat und Hilfe bei Mobbing

Hier zunächst eine allgemeine Definition:

Der Begriff Mobbing stammt aus dem Englischen und bedeutet anpöbeln, fertig machen
(mob = Pöbel, mobbish = pöbelhaft).

 

Alle Welt spricht von Mobbing - aber was ist das überhaupt?

Mobbing ist eine Form offener und/oder subtiler Gewalt gegen Personen über längere Zeit mit dem Ziel der sozialen Ausgrenzung. Es kann sich dabei um verbale und/oder physische Gewalt handeln.

Am Arbeitsplatz wird unter Mobbing eine konfliktbeladene Kommunikation unter Kolleg/innen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden.
Nicht jede Feindseligkeit zwischen Menschen, die zusammen arbeiten müssen, ist Mobbing. Es geht vielmehr um häufiger und länger anhaltende, systematische und auf eine Person gerichtete Schikane.
Mobbing richtet enormen Schaden an, sowohl bei dem betroffenen Opfer, als auch auf betriebs- und volkswirtschaftlicher Ebene.

Inzwischen gibt es vielerorts Beratungsstellen für Mobbingopfer.
Für Führungskräfte und Betriebs- bzw. Personalrät/innen werden Schulungen zur Verhinderung von Mobbing angeboten.

Wo gibt es Mobbing?

Mobbing gibt es eigentlich überall dort, wo Menschen zusammen leben und arbeiten - in der Familie, in Betrieben und Verwaltungen, im Studium und nicht zuletzt in der Schule.

Häufig ist es gar nicht so leicht zu sagen, ob es sich tatsächlich schon um eine extreme Stufe, das Mobbing, handelt. Wie wir schon erwähnten, gehört dazu die über eine längere Zeit ausgeübte (direkte oder indirekte) Gewalt, die als Ziel die soziale Ausgrenzung hat.

Hier ein authentisches Beispiel, eine Schülerin berichtet:

Niemand kann sich vorstellen, was für ein enormer Druck auf mir lastet. Ich soll in der Schule gut sein, zu Hause meine Pflichten erfüllen und möglichst gerecht und nett zu allen sein. Das geht nicht. Durch meine wirklich beschissene Klassensituation werden meine Noten immer schlechter. Ich bekomme das Gefühl, auch Lehrer können mich nicht mehr leiden! Wenn über 17 Schüler aus einer Klasse von 25 gegen einen sind, und man bei dem Rest das Gefühl bekommt, sie tun nur so, weil sie einen ausspionieren wollen, wie soll man da noch seine Noten halten???!! Wie kann man da noch ein normaler Mensch bleiben?! Ich geh schon nur noch mit großer Angst in die Schule.

Eine mögliche Hilfe zur Verhinderung oder zum Eindämmen des Mobbings ist der
Mobbing-Fragebogen für die Schule.


Mobbing als Gegenstand der Forschung

"Viele Menschen, denen am Arbeitsplatz übel mitgespielt wird, fürchten, sie allein seien davon betroffen. Sie werden von Selbstzweifeln geplagt, verlieren ihr Selbstvertrauen und fragen: "Was habe ich nur falsch gemacht?"

Doch Mobbing hat nichts mit der Persönlichkeit des Opfers zu tun. Es geschieht massenhaft, und es kann jeden treffen." (Heinz Leymann)

Als einer der ersten Wissenschaftler untersuchte Leymann dieses Phänomen in der Arbeitswelt und definierte Mobbing allgemein als einen Prozess konfliktbelasteter Kommunikation am Arbeitsplatz. Dieser findet sowohl zwischen Kolleg/innen als auch zwischen Vorgesetzten und Untergebenen statt, wobei die angegriffene Person unterlegen ist und von der anderen mindestens einmal die Woche über die Dauer von wenigstens einem halben Jahr lang systematisch mit dem Ziel angegriffen wird, sie auszugrenzen.Die Folgen für die Opfer sind fatal. Sie reichen von schweren psychischen und physischen Störungen bis hin zum Selbstmord.
Als Gründe für den Entstehungsprozess von Mobbing werden überwiegend ungelöste Konflikte am Arbeitsplatz, sowie die Suche nach Sündenböcken angeführt. Mängel in der Personalführung wirken ihrerseits wie Katalysatoren auf die Entwicklung von Mobbing.

Betroffene Personen erkennen sehr häufig den Anfang des Ausgrenzungsprozesses nicht und haben keine Erklärung, weshalb sie von Kolleg/innen und Vorgesetzten so feindselig behandelt werden. Die in der Folge durch den fortwährenden Stress ausgelösten körperlichen Beschwerden werden oft auch nicht mit dem Konflikt am Arbeitsplatz in Zusammenhang gebracht und können sich so im Lauf der Zeit zu manifesten Krankheiten ausbilden.

Verfestigt sich Mobbing über den auslösenden Konflikt hinaus, hat der Betroffene kaum Chancen, diesen Prozess aus eigener Kraft zu beenden. Demzufolge sollten körperliche Beschwerden bei anhaltenden Spannungen am Arbeitsplatz sehr ernstgenommen werden. Sollte Mobbing die Ursache sein und bereits in der Frühphase erkannt werden, bestehen größere Chancen das Mobbing abzustellen und den eigentlich dahinter stehenden Konflikt zu lösen.

Erfahrungen mit Mobbing

Ein Beispiel aus dem Berufsleben: Die Sachbearbeiterin Frau Hertwig

Frau Hertwig ist für einen verantwortungsvollen Posten vorgesehen. Sie hat seit langem darauf hingearbeitet und nun könnte sich ihr Wunsch zu erfüllen - könnte, wenn da nicht einer ihrer Kollegen wäre, der es selbst auf diesen Posten abgesehen hat. Er beginnt damit, Gerüchte über Frau Hertwig in die Welt zu setzen, zieht andere Kolleg/innen auf seine Seite und hält wichtige Informationen von ihr fern.

Wenn es darum geht, einen besseren Posten zu bekommen, spielen manche Menschen mit unfairen Mitteln. Sei es, dass sie sich schlechtere Chancen ausmalen oder sei es, dass sie es einfach gewohnt sind, unsaubere Taktiken anzuwenden. Das wirklich Unangenehme ist, dass Sie es selbst nicht einmal merken müssen, dass da jemand hinter Ihren Rücken Ihre Karriere sabotiert. Sie merken dann vielleicht nur, dass Erfolge ausbleiben und wissen gar nicht warum.

Versuchen Sie, folgende Fragen zu diesem Beispiel zu beantworten:

  • Was könnte Frau Hertwig tun, um das Mobbing abzustellen und keine weiteren Nachteile zu erhalten?
  • Wie könnten sich die anderen Kolleg/innen und Vorgesetzten verhalten, um ihr zu helfen?

Ein Beispiel aus der Schule: Der Schüler Daniel Feininger

Daniel aus einer der neunten Klassen berichtet - seelisch offensichtlich schwer belastet - seinem Schulleiter, er halte es nun nicht mehr aus in seiner Klasse. Die Kameraden schikanierten ihn täglich und versuchten ihn zu ärgern. Nun habe ihn der Klassenlehrer mit Arrest bestraft, obgleich er gar nichts dafür könne. Er habe ja nur laut gerufen: "Lasst mich in Ruhe!" Der Lehrer habe dies als Störung des Unterrichts geahndet.

Was war geschehen?
Seit Monaten gaben die hinter ihm sitzenden Schüler immer wieder leise und fast nur für ihn hörbare Hundelaute von sich, knurrten und bellten. Nur Daniel und einige wenige Mitschüler wussten, was dies bedeutet:
Eines Tages, so berichtet Daniel, hätten die anderen "furchtbar gelacht", nachdem er ihnen erzählt hatte, dass auf der Kommode seines Opas ein Hundebild stand. Auf dem Rand war das Todesdatum des Hundes eingetragen: der 25. Mai 1978. Das ist der gleiche Tag, an dem Daniel geboren wurde. Die anderen lachten und riefen: "Bestimmt ist die Seele von Opa Feinfingers Hund in dich gefahren: Seelenwanderung!"
Von diesem Tag an hätten sie mit ihrer "Hundesprache" angefangen, wenn sie ihn ärgern wollten. Neuerdings aber trieben sie es derartig schlimm, dass er es nicht mehr aushalte.

Daniel ist am Ende seiner Kräfte. Er hatte bis dahin bereits häufig wegen Krankheit gefehlt, wie der Klassenlehrer besorgt festgestellt hatte. Manchmal ist Daniel aus Angst vor seinen Peinigern morgens nicht in die Schule gegangen. Ein ziemlicher Einbruch seiner ohnehin nicht besonderen Leistungen ist die Folge.


Daniels Reaktion ist typisch: Er zieht sich zurück und isoliert sich auf diese Weise noch mehr.

Was aber sind die Motive seiner Peiniger, was tun sie und was empfinden sie dabei?
Sie wurden befragt. Sehen Sie sich einige Äußerungen an:

Warum habt ihr Daniel zum Opfer gemacht?  
  Schüler 1:
"Weil er so große Ohren hat und man ihn gut ärgern kann."
  Schüler 2:
"Weil fast alle ihn fertig machen. Ich mache eigentlich nicht so viel."
Wie geht ihr vor? Schüler 1: "Wir beleidigen ihn mit seinen Ohren und gestalten Witze mit seinem Namen um."
  Schüler 2: "Mit seinen Ohren."
Was empfindet ihr dabei? Schüler 1: "Es ist wie eine Kettenreaktion: Einer fängt an und beleidigt
ihn, und dann macht der andere automatisch weiter."
  Schüler 2:

"Ich empfinde, dass Daniel das fertig macht. Damit möchte
ich aufhören, aber wenn die anderen anfangen, mache ich
oft mit."

(Kasper 1998: S. 64 ff. )

 

 

Maßnahmen gegen Mobbing in der Schule:
Was kann man gegen das Mobbing unternehmen?
Wie kann man sich wehren?

Ein paar Möglichkeiten, die weiterhelfen könnten:

  • Suche dir moralischen und menschlichen Rückhalt und Unterstützung bei Verbündeten in deiner Klasse, nötigenfalls auch in anderen Klassen.
  • Sprich Schülerinnen und Schüler in deiner Umgebung auf das Problem an.
  • Suche dir eine Selbsthilfegruppe.
  • Protokolliere jede Art von Übergriffen (Mobbingtagebuch).
    Wenn möglich, sichere die Aussagen von Zeuginnen und Zeugen.
  • Fordere deine Mitschüler/innen, aber auch die beteiligten Lehrer/innen notfalls schriftlich auf, das unerwünschte Verhalten zu unterlassen.
  • Geht der Terror weiter, wende dich an die Schulleitung oder den Vertrauenslehrer.
  • Gegebenenfalls kann es auch hilfreich sein mit den Eltern der mobbenden Schüler/innen zu reden.
  • Kommst du damit nicht klar, hol dir professionelle Hilfe.


Hinweise für Lehrkräfte:
Der Grundsatz ist: Nicht ignorieren!

Wenn in einer Schule ein Konsens zwischen allen Beteiligten besteht, dass es sich bei Mobbing um Gewaltausübung handelt, werden Außenstehende solche Prozesse sensibler wahrnehmen und klarer reagieren. Wo immer Mobbing bekannt oder offensichtlich wird, sollten Lehrkräfte klar Standpunkt beziehen und versuchen, zumindest den "zusehenden" Mitschüler/innen, möglichst aber auch den Täter/innen einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen und ihnen die psychischen Folgen für die Opfer in einer solchen Situation klar machen.

 


Information, Rat und Hilfe bei Mobbing

Hilfe im Einzelfall bietet sich an:

Innerschulisch:

  • Thematisieren in Klassengespräch und Kollegium (Pädagogische Konferenz)
  • Intervenieren: Einzelgespräch mit Opfern und Täter/innen (Problem: viele Schüler/innen vermeiden konkrete Aussagen!), Vereinbarungen treffen (Täter-Opfer-Ausgleich), Schulstrafen, Elterngespräche
  • Streitschlichter-Programm

Außerschulisch:

  • Kooperation mit dem Jugendamt, der Erziehungsberatungsstelle oder einer anderen Beratungseinrichtung (Fallbesprechung / Betreuung betroffener Familien oder Kindern/Jugendlichen in der Täter- oder Opferrolle)

Im Internet:

  • Das Bewusstsein für die Bedeutung und die Gefahren des Mobbings ist seit den 1990er Jahren sehr gestiegen. Inzwischen gibt es eine reichhaltige Literatur zu allen Aspekten des Themas, entsprechende Internetseiten (von öffentlich-rechtlicher Seite wie von privaten Anbietern), Projekte, Programme und Beratungsstellen.

Informationen finden sich auf den Bildungsservern verschiedener Bundesländer.
Wir wollen hier nur einige wenige aufführen, die wir für besonders wichtig halten.

allgemein: www.mobbing-info.ch

Bereich der Schule und Bildung: www.schueler-mobbing.de

Als Koordinationsstelle der Selbsthilfegruppen fungiert:
Nakos
Nationale Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen
Albert-Achilles-Str. 66
10709 Berlin Tel. 030 8914019

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Ein betroffener Lehrer berichtet: (Tonaufzeichnung)
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(640 KB)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Literatur