2 Kommunikative Praxis in der Schule und praktische Rhetorik

2.7 Rollenspiel und szenisches Spiel










Lerneinheit: Lehrer- und Schülerhaltungen

Ziel: Eigene Haltungen als Lehrer und Schüler in Konfliktsituationen bewusst machen und verändern

  • Erkundungsphase
    Einstieg: Haltungen von Schülerinnen bzw. Lehrern zeigen und nachahmen

  • Aneignungsphase
    Die Teilnehmer erinnern sich an Situationen, in den sie Schwierigkeit mit Schüler bzw. Lehrer hatten. Nacheinander werden die Situationen als Standbilder aufgebaut und interpretiert.(Standbild)

  • Interpretationsphase, hier am Beispiel der Szenischen Rekonstruktion

Typische Konflikte mit Schülern bzw. Kollegen in der Schule
Beziehungskonstellation als Konfliktpotential - am Beispiel einer Kunststunde in der Sonderschule

Der Spielleiter schildert die Situation:

Es ist Mittwoch, fünfte Stunde. Die Lehrerin, wie die Schüler ohnehin schon müde und lustlos, wird fast jede Woche mit einer Situation konfrontiert, die sie überfordert: Chaos bricht aus, die Lehrerin reagiert panisch.


Der Spielleiter beschreibt kurz die beteiligten Personen und verteilt Rollenkarten (oft dient hierzu ein literarischer Text/ Dramentext).


Peter, Schüler: Du bist 14 Jahre alt und gehst zur Sonderschule. Du bist groß und stark, aber leider zu dick. Deshalb kommst du bei den Mädchen und den Lehrern nicht gut an. Da es dir aber wichtig ist, dass man dich bemerkt, versuchst du durch Lautstärke und Ärgern der anderen die Aufmerksamkeit auf dich zu lenken. Vor allem Karin lässt sich gut ärgern. Das hat auch noch den Vorteil, dass Frau Barin, die du ganz toll findest, sich dir zuwendet, weil sie Karin verteidigen muss. Kunstunterricht findest du blöde. Karin, die alte "Mülltonnentrine" zu ärgern macht mehr Spaß.

Stefan, Schüler: Du bist 13 Jahre alt und gehst in die Sonderschule. Du wirst zu Hause streng erzogen und hast deshalb in der Schule Angst, dass du etwas nicht schaffst. Darum fragst du ständig, was du machen sollst. Außerdem möchtest du immer gelobt werden. Du achtest nur auf die Lehrerin, alles andere interessiert dich nicht, denn wenn du einen Fehler machst, wirst du zu Hause verprügelt. Du kannst nicht gut malen, gibst dir aber große Mühe.

Heiner, Schüler: Du bist 14 Jahre alt und gehst in die Sonderschule. Du siehst gut aus und kommst bei den Mädchen und auch bei der Lehrerin, Frau Barin, gut an. Zum Malen hast du keine Lust, deshalb bist du für jede Ablenkung dankbar. Peter kannst du nicht leiden, weil der sich immer so aufspielt. Die Mädchen in der Klasse sind für dich Schrott, vor allem Karin, die Heulsuse, die sich immer bei der Lehrerin einschmeicheln will. Im Übrigen kommst du nach der Pause immer zu spät, weil du dich so lange mit deiner Freundin Heide aus der Parallelklasse unterhalten hast.

Christa, Schülerin: Du bist 13 Jahre alt und gehst zur Sonderschule. Eigentlich gehörst du hier nicht her, du bist doch nicht doof. Du sitzt im Kunstunterricht bei den Jungen, weil da mehr los ist und weil du dich als Mädchen offensiv mit den Jungen auseinander setzen willst. Du bist selbstbewusst, kannst mädchenhaftes Getue und das weinerliche Verhalten von Karin nicht ertragen. Du verachtest sie, weil sie sich bei der Lehrerin damit lieb Kind machen will. Dich ärgert, dass die Lehrerin, Frau Barin, immer auf Karin reinfällt. Sonst findest du sie ganz gut, magst Kunst auch ganz gerne.

Karin, Schülerin: Du bist 14 Jahre alt und gehst auf die Sonderschule. Du bist klein, dick und tollpatschig. Man hat dir immer gesagt, dass du dumm und hässlich bist, und du glaubst das auch. Keiner mag dich, alle hacken auf dir herum, du fühlst dich in der Klasse sehr allein. Weil du auch Kontakt zu den Jungen haben willst, rempelst du sie manchmal wie aus Versehen an. Meist stoßen sie dich dann weg, aber dadurch kommst du immerhin mit ihnen in Berührung. Dass sie dich beschimpfen und ärgern, das kennst du schon. Im Kunstunterricht stört es dich nicht, weil sich dann die Lehrerin, Frau Barin, für dich einsetzt und dich tröstet. Das ist immer ganz toll. Du malst gern im Kunstunterricht. Heute haben dich die Jungen mal wieder auf dem Schulhof gestoßen und geärgert. Sie nennen dich immer "Mülltonnentrine".

Susanne Barin, 38 Jahre, Lehrerin: Du bist Kunstlehrerin in der Sonderschule und hast immer Angst vor dieser Klasse, die du jeden Mittwoch in der 5. Stunde unterrichten musst. Jedes Mal herrscht Chaos, immer hacken sie auf Karin herum, alle schreien. Du fühlst dich nach den vier Stunden vorher wie ausgelaugt und überfordert und versuchst die Schüler zum Unterricht zu motivieren. Wenn nicht gerade wieder etwas mit Karin los ist. Sie tut dir leid, du musst sie vor den Aggressionen der anderen Schüler schützen.


Durchführung des Spiels (auch mehrmals)

Raumaufbau:

Während die Spielenden sich eine Vorstellung von ihren Rollen machen (und eventuell eine kurze Rollenbiographie schreiben), baut der Spielleiter den Handlungsraum auf. Er beschreibt den Kunstraum: ein Dachzimmer mit Schräge, langer Holztisch, an dem die Schüler arbeiten, Materialschrank (für Farbe, Papier, Pinsel) auf der einen Seite, die Tafel auf der anderen Seite. Die Lehrerin hat ihren Platz an der Kopfseite des Tisches vor der Tafel.


Einfühlung in die Rolle:

Nacheinander gehen die Jungen, dann die Mädchen und schließlich die Lehrerin in den Raum, setzen sich an ihren Platz, nehmen die Haltung ein, die ihre Einstellung zum Kunstunterricht zum Ausdruck bringt, und sprechen kurz aus, wie es ihnen gerade geht.


Die Szene beginnt:

Die Schüler improvisieren die Pause vor der fünften Stunde: Sie ärgern Karin, die "Mülltonnentrine". Die Lehrerin bereitet den Klassenraum vor. Es klingelt. Die Schüler begeben sich in den Klassenraum und agieren aus der Rolle heraus. Der Spielleiter unterbricht immer wieder durch Stopp-Rufe und fragt nach den Gedanken der Personen. Ist die Interaktionsstruktur deutlich geworden, bricht das Spiel ab.


Interpretationsphase:

Die Nicht-Mitspielenden sind Beobachter, sie zeigen in einer Statue, wie sie die Beziehung zwischen Schülern und Lehrerin sehen.

Die Spielenden zeigen nacheinander in Statuen, wie sie sich in Beziehung zu den anderen Personen sehen. Sie suchen den Ort und die Haltung in der Gruppe, die zum Ausdruck bringen, wie sie sich die Beziehung zu den anderen wünschen, und begründen ihre Entscheidung. Alle überlegen gemeinsam, in welcher Weise die Lehrerin die Beziehungskonstellation verändern kann. Eventuell werden Veränderungsvorschläge erprobt. (Aus Scheller: Berlin 1998, S.198 ff )

 

 

 

Bedrohliche Haltung:
Die Lehrerin herrscht von oben herab über die Klasse.

 

Erwünschte Lehrerhaltung:
Die Lehrerin ist den Schüler/innen zugewandt, behandelt sie nicht von oben herab.