Lerneinheit:
Lehrer- und Schülerhaltungen
Ziel: Eigene Haltungen als Lehrer und
Schüler in Konfliktsituationen bewusst machen und verändern
- Erkundungsphase
Einstieg: Haltungen von Schülerinnen bzw. Lehrern zeigen
und nachahmen
- Aneignungsphase
Die Teilnehmer erinnern sich an Situationen, in den sie Schwierigkeit
mit Schüler bzw. Lehrer hatten. Nacheinander werden die
Situationen als Standbilder aufgebaut und interpretiert.(Standbild)
- Interpretationsphase, hier am Beispiel
der Szenischen Rekonstruktion
Typische Konflikte mit Schülern bzw.
Kollegen in der Schule
Beziehungskonstellation als Konfliktpotential - am Beispiel einer
Kunststunde in der Sonderschule
Der Spielleiter schildert die Situation:
Es ist Mittwoch, fünfte Stunde. Die Lehrerin,
wie die Schüler ohnehin schon müde und lustlos, wird
fast jede Woche mit einer Situation konfrontiert, die sie überfordert:
Chaos bricht aus, die Lehrerin reagiert panisch.
Der Spielleiter beschreibt kurz die beteiligten Personen und
verteilt Rollenkarten (oft dient hierzu ein literarischer Text/
Dramentext).
Peter, Schüler: Du bist 14 Jahre alt und gehst zur
Sonderschule. Du bist groß und stark, aber leider zu dick.
Deshalb kommst du bei den Mädchen und den Lehrern nicht gut
an. Da es dir aber wichtig ist, dass man dich bemerkt, versuchst
du durch Lautstärke und Ärgern der anderen die Aufmerksamkeit
auf dich zu lenken. Vor allem Karin lässt sich gut ärgern.
Das hat auch noch den Vorteil, dass Frau Barin, die du ganz toll
findest, sich dir zuwendet, weil sie Karin verteidigen muss. Kunstunterricht
findest du blöde. Karin, die alte "Mülltonnentrine"
zu ärgern macht mehr Spaß.
Stefan, Schüler: Du bist 13 Jahre alt und gehst in
die Sonderschule. Du wirst zu Hause streng erzogen und hast deshalb
in der Schule Angst, dass du etwas nicht schaffst. Darum fragst
du ständig, was du machen sollst. Außerdem möchtest
du immer gelobt werden. Du achtest nur auf die Lehrerin, alles
andere interessiert dich nicht, denn wenn du einen Fehler machst,
wirst du zu Hause verprügelt. Du kannst nicht gut malen,
gibst dir aber große Mühe.
Heiner, Schüler: Du bist 14 Jahre alt und gehst in
die Sonderschule. Du siehst gut aus und kommst bei den Mädchen
und auch bei der Lehrerin, Frau Barin, gut an. Zum Malen hast
du keine Lust, deshalb bist du für jede Ablenkung dankbar.
Peter kannst du nicht leiden, weil der sich immer so aufspielt.
Die Mädchen in der Klasse sind für dich Schrott, vor
allem Karin, die Heulsuse, die sich immer bei der Lehrerin einschmeicheln
will. Im Übrigen kommst du nach der Pause immer zu spät,
weil du dich so lange mit deiner Freundin Heide aus der Parallelklasse
unterhalten hast.
Christa, Schülerin: Du bist 13 Jahre alt und gehst
zur Sonderschule. Eigentlich gehörst du hier nicht her, du
bist doch nicht doof. Du sitzt im Kunstunterricht bei den Jungen,
weil da mehr los ist und weil du dich als Mädchen offensiv
mit den Jungen auseinander setzen willst. Du bist selbstbewusst,
kannst mädchenhaftes Getue und das weinerliche Verhalten
von Karin nicht ertragen. Du verachtest sie, weil sie sich bei
der Lehrerin damit lieb Kind machen will. Dich ärgert, dass
die Lehrerin, Frau Barin, immer auf Karin reinfällt. Sonst
findest du sie ganz gut, magst Kunst auch ganz gerne.
Karin, Schülerin: Du bist 14 Jahre alt und gehst auf
die Sonderschule. Du bist klein, dick und tollpatschig. Man hat
dir immer gesagt, dass du dumm und hässlich bist, und du
glaubst das auch. Keiner mag dich, alle hacken auf dir herum,
du fühlst dich in der Klasse sehr allein. Weil du auch Kontakt
zu den Jungen haben willst, rempelst du sie manchmal wie aus Versehen
an. Meist stoßen sie dich dann weg, aber dadurch kommst
du immerhin mit ihnen in Berührung. Dass sie dich beschimpfen
und ärgern, das kennst du schon. Im Kunstunterricht stört
es dich nicht, weil sich dann die Lehrerin, Frau Barin, für
dich einsetzt und dich tröstet. Das ist immer ganz toll.
Du malst gern im Kunstunterricht. Heute haben dich die Jungen
mal wieder auf dem Schulhof gestoßen und geärgert.
Sie nennen dich immer "Mülltonnentrine".
Susanne Barin, 38 Jahre, Lehrerin: Du bist Kunstlehrerin
in der Sonderschule und hast immer Angst vor dieser Klasse, die
du jeden Mittwoch in der 5. Stunde unterrichten musst. Jedes Mal
herrscht Chaos, immer hacken sie auf Karin herum, alle schreien.
Du fühlst dich nach den vier Stunden vorher wie ausgelaugt
und überfordert und versuchst die Schüler zum Unterricht
zu motivieren. Wenn nicht gerade wieder etwas mit Karin los ist.
Sie tut dir leid, du musst sie vor den Aggressionen der anderen
Schüler schützen.
Durchführung des Spiels (auch mehrmals)
Raumaufbau:
Während die Spielenden sich eine Vorstellung
von ihren Rollen machen (und eventuell eine kurze Rollenbiographie
schreiben), baut der Spielleiter den Handlungsraum auf. Er beschreibt
den Kunstraum: ein Dachzimmer mit Schräge, langer Holztisch,
an dem die Schüler arbeiten, Materialschrank (für Farbe,
Papier, Pinsel) auf der einen Seite, die Tafel auf der anderen
Seite. Die Lehrerin hat ihren Platz an der Kopfseite des Tisches
vor der Tafel.
Einfühlung in die Rolle:
Nacheinander gehen die Jungen, dann die Mädchen
und schließlich die Lehrerin in den Raum, setzen sich an
ihren Platz, nehmen die Haltung ein, die ihre Einstellung zum
Kunstunterricht zum Ausdruck bringt, und sprechen kurz aus, wie
es ihnen gerade geht.
Die Szene beginnt:
Die Schüler improvisieren die Pause vor
der fünften Stunde: Sie ärgern Karin, die "Mülltonnentrine".
Die Lehrerin bereitet den Klassenraum vor. Es klingelt. Die Schüler
begeben sich in den Klassenraum und agieren aus der Rolle heraus.
Der Spielleiter unterbricht immer wieder durch Stopp-Rufe und
fragt nach den Gedanken der Personen. Ist die Interaktionsstruktur
deutlich geworden, bricht das Spiel ab.
Interpretationsphase:
Die Nicht-Mitspielenden sind Beobachter, sie
zeigen in einer Statue, wie sie die Beziehung zwischen Schülern
und Lehrerin sehen.
Die Spielenden zeigen nacheinander in Statuen,
wie sie sich in Beziehung zu den anderen Personen sehen. Sie suchen
den Ort und die Haltung in der Gruppe, die zum Ausdruck bringen,
wie sie sich die Beziehung zu den anderen wünschen, und begründen
ihre Entscheidung. Alle überlegen gemeinsam, in welcher Weise
die Lehrerin die Beziehungskonstellation verändern kann.
Eventuell werden Veränderungsvorschläge erprobt. (Aus
Scheller: Berlin 1998, S.198 ff )
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