3 Konflikte lernen, erkennen und analysieren

3.7 Scheinkonflikte









Um Konflikte richtig beurteilen und konstruktiv angehen zu können, ist es nötig, zu ihrem Kern vorzudringen. Dies aber ist häufig nur schwer zu erreichen. Wir alle haben schon die Erfahrung gemacht, dass Personen oder auch Gruppen lange und intensiv über eine Sache streiten und davon überzeugt sind, dass es tatsächlich um diese Sache geht.

Sieht man aber näher hin, stellt man fest, dass dieses, sich auf der Oberfläche abspielende Konfliktgeschehen letztlich nur vorgeschoben ist (vgl. das Eisbergmodell.)
Es handelt sich um einen Scheinkonflikt, und darunter liegt etwas anderes, das dem Bewusst-sein der Beteiligten gar nicht zugänglich ist, vielleicht weil es als zu persönlich, als peinlich empfunden wird.
Man muss sich das so vorstellen wie einen Eisberg, der im Wasser treibt. Von ihm sieht man an der Oberfläche nur ganz wenig, während der größte Teil seiner Gesamtmasse unter der Wasseroberfläche verborgen ist. Von vielem in unserem Leben kommt nur wenig an die Oberfläche, das meiste ist sogar den Betreffenden ver-borgen.



Beispiele für verschobenene Konflikte:

1. KRITIK AN DER ARBEIT

Herr Meier kritisiert an seiner Kollegin Frau Müller ständig, dass diese ihre Arbeit nicht korrekt oder zu langsam erledige. Frau Müller verteidigt sich vehement gegen die Vorwürfe, weil sie sich keiner Schuld bewusst ist und sich mit Eifer den ihr gestellten Aufgaben widmet.

Wollte man diesen Konflikt näher analysieren, wäre zu fragen, ob die Vorwürfe tatsächlich eine sachliche Basis haben. Ist dies nicht der Fall - wie wir annehmen wollen - wäre festzustellen, was hinter den immer währenden Vorwürfen steckt: Es könnte eine Unvereinbarkeit der Personen - also das bekannte und schwer zu fassende Gefühl von Antipathie sein - aber, wie häufig im Berufsleben, auch eine latente Konkurrenzsituation direkter oder indirekter Art: wer etwa in der Gunst der Vorgesetzten ganz oben steht oder wer für eine baldige Beförderung in Frage kommt.


2. DAS BESSERWISSER SYNDROM
Der siebzehnjährige Klaus ist in der Schule ausgesprochen konkurrenzorientiert; er muss immer der Beste sein. Also korrigiert er ständig die Antworten, die seine Mitschüler/innen geben, besonders die Beiträge von Monika. Diese versucht sich dagegen zu wehren und es kommt zu immer neuen Konflikten um die Frage: Wer hat recht?

Wir nehmen auch hier an, es handelt sich um einen verschobenen Konflikt:
Monika hat nicht permanent unrecht und Klaus recht. Auch hier ergibt sich die Frage:
Was steckt dahinter?

Das könnte in diesem Falle etwa sein:

Der Charakter
von Klaus:
Er ist schon in der Familie immer wieder mit Konkurrenzsituationen konfrontiert worden, musste sich ständig gegen seine Geschwister durchsetzen, wurde von den Eltern zu "Spitzenleistungen" angetrieben.

Es kann sich aber auch um latente Minderwertigkeitsgefühle handeln, die ihn dazu nötigen, sich ständig selbst beweisen zu müssen.
Näheres dazu z.B. Teil 1 Kommunikationsstile: Der sich beweisende Stil

Die spezielle Beziehung zu Monika:
Vielleicht möchte Klaus ihr - unbewusst - imponieren und muss sie dazu zugleich degradieren. Oder aber er lebt versteckte Rachegefühle aus, weil er sich dem Mädchen nähern wollte und dabei eine Abfuhr erlitten hat.

 

3.6 Charaktereigenschaften beteiligter Personen 3.8 Eskalation von Konflikten