3 Konflikte lernen, erkennen und analysieren

3.6 Charaktereigenschaften beteiligter Personen









In seinem Buch "Konflikt-Management" schreibt der Autor Gerhard Schwarz,
persönliche Konflikte seien das "Lebenselixier" der Persönlichkeitsentwicklung." (Schwarz 1999: S. 49)

Das bedeutet, dass wir alle, besonders in bestimmten Lebensphasen, zentrale Konflikte in uns haben, die uns zunächst belasten, uns gleichzeitig aber auch dazu motivieren, unsere Persönlichkeit, unseren Charakter in Auseinandersetzung mit uns selbst und mit unserer Umwelt weiter zu entwickeln.

Bestimmte Charaktereigenschaften haben sich im Verlaufe dieser Entwicklung (etwa mit der der Adoleszenz, also mit ca. 18-20 Jahren) verfestigt, sie sind zu Konstanten geworden, die wir in alle späteren Beziehungen einbringen und die auch die Basis für bestimmte Konflikte und unser Agieren darin darstellen.

Was wir Persönlichkeit oder auch Charakter nennen, ist, wie Schwarz meint, "zu einem Großteil als das Resultat ausgestandener Konflikte zu verstehen". Der Psychologe Erik Erikson hat in seinem Buch "Identität und Lebenszyklus" festgestellt, dass die Art, wie Konflikte in der Kindheit angegangen und gelöst wurden, das spätere Konfliktverhalten entscheidend determiniert.

Innerhalb der verschiedenen psychologischen Richtungen, etwa der kognitiven Psychologie, der Verhaltenspsychologie oder der Psychoanalyse, sind Entwicklungs-theorien formuliert worden, die sich nicht selten widersprechen und von sehr ver-schiedenen Prämissen ausgehen. Zudem ist bisher von der Wissenschaft nicht zureichend geklärt, inwieweit genetische, also biologisch bedingte Faktoren unsere Charakter-entwicklung beeinflussen und uns so auf bestimmte Denk-, Gefühls- und Verhaltensformen festlegen. Klar ist auch, dass unser soziokulturelles Milieu eine wichtige Rolle spielt: unsere soziale Umgebung, die Familie, der Bildungsstand, die Sitten und Gewohnheiten unserer angestammten Kultur. Wir wollen hier auf eine ausführliche Darstellung dieser Ansätze verzichten und verweisen auf ausgewählte Literatur zum Thema.

Wir wollen einen konkreteren Ausgangspunkt wählen:
Im Gegensatz zur vorher erwähnten genetischen Betrachtungsweise wissen wir in unserem alltäglichen Umgang mit Menschen häufig zunächst fast nichts über deren Entwicklung oder Charakter. Wir nehmen (ebenso wie ihrerseits die andere Person) ein bestimmtes Aussehen, verbales und körpersprachliches Verhalten wahr und bilden uns daraus - meist sehr schnell - einen Eindruck.

Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie spontan etwa Verliebtheiten entstehen können. Dann sagen wir, es hat "gefunkt", zwei Menschen verlieben sich und wollen zusammen sein, dabei können sie häufig gar nicht genau sagen warum.
In den meisten Alltagssituationen geht es um Wahrnehmungen, die sich zwischen den Polen Sympathisch - Unsympathisch fassen lassen.

Manchmal scheint uns allerdings unser unmittelbarer Eindruck auch zu trügen: Eine Person war uns spontan eher unsympathisch, wir hätten sie nie für eine nähere Verbindung oder gar eine Freundschaft ins Auge gefasst. Innerhalb einer durch Institutionen aufgenötigten Beziehung - etwa in der Schule oder im Betrieb - verändern wir jedoch im Laufe der Zeit unsere Meinung. Wir stellen z.B. fest, dass diese Person hilfsbereit und nett ist.

Natürlich ist auch das Umgekehrte möglich: Wir nehmen wahr, dass ein anfangs sehr freundlicher Kollege sich als extrem ehrgeizig und egoistisch "entpuppt". Er hatte sich also - zumindest in unserer subjektiven Wahrnehmung - "verstellt". Es entwickelt sich dann ein sogenannter Personenkonflikt.

Allerdings kann ein Personenkonflikt auch ohne eine inhaltliche Konfliktgeschichte entstehen. Was ist in diesem Falle passiert? Dies kann so gefasst werden:

"In der Regel ist der Auslöser dann, dass eine Partei auf die andere Vorannahmen überträgt, die sie aus Beziehungen mit ganz anderen Personen mitgebracht hat, z.B. weil die andere Partei sie an eine Person oder Gruppe erinnert, mit der es auch schon immer Schwierigkeiten gab." ( Müller-Fohrbrodt 1999: S. 39)

Konflikte, die aus der Wahrnehmung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale und Charaktereigenschaften entstehen, sind sehr schwer zu bearbeiten, denn dies berührt eine Schicht unserer Persönlichkeit, die sehr tief liegt und stark von nicht-verbalen, emotionalen Faktoren geprägt ist.
Als Erwachsener kann man den eigenen Charakter nur noch in sehr engen Grenzen verändern. In solchen Fällen ist es manchmal am besten, den Kontakt mit einer sehr negativ besetzten Person einzustellen. Lehrer/innen setzen Schüler/innen dann auseinander, Angestellte kommen in verschiedene Abteilungen.

Wie man dennoch auch mit solchen Konflikten konstruktiv umgehen kann, werden wir im Teil 4 (Konfliktbearbeitung und Konfliktlösung) näher beschreiben. In solchen Fällen ist es dann meistens das Ziel, einen weitgehend funktionalen sachlichen Kontakt zu ermöglichen, also eine Kooperation zwischen Personen, die sich eigentlich nicht besonders mögen, bei denen, wie wir sagen, die "Chemie nicht stimmt".

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Literatur