In seinem Buch "Konflikt-Management"
schreibt der Autor Gerhard Schwarz,
persönliche Konflikte seien das "Lebenselixier"
der Persönlichkeitsentwicklung."
(Schwarz 1999: S. 49)
Das bedeutet, dass wir alle, besonders in bestimmten Lebensphasen,
zentrale Konflikte in uns haben, die
uns zunächst belasten, uns gleichzeitig aber auch dazu motivieren,
unsere Persönlichkeit, unseren Charakter in Auseinandersetzung
mit uns selbst und mit unserer Umwelt weiter zu entwickeln.
Bestimmte Charaktereigenschaften haben sich im Verlaufe dieser Entwicklung
(etwa mit der der Adoleszenz, also mit ca. 18-20 Jahren) verfestigt,
sie sind zu Konstanten geworden, die
wir in alle späteren Beziehungen einbringen und die auch die
Basis für bestimmte Konflikte und unser Agieren darin darstellen.
Was wir Persönlichkeit oder auch
Charakter nennen, ist, wie Schwarz
meint, "zu einem Großteil als das
Resultat ausgestandener Konflikte zu verstehen". Der
Psychologe Erik Erikson hat in seinem Buch "Identität
und Lebenszyklus" festgestellt, dass die Art, wie Konflikte
in der Kindheit angegangen und gelöst wurden, das spätere
Konfliktverhalten entscheidend determiniert.
Innerhalb der verschiedenen psychologischen Richtungen, etwa
der kognitiven Psychologie, der Verhaltenspsychologie oder der
Psychoanalyse, sind Entwicklungs-theorien formuliert worden, die
sich nicht selten widersprechen und von sehr ver-schiedenen Prämissen
ausgehen. Zudem ist bisher von der Wissenschaft nicht zureichend
geklärt, inwieweit genetische, also biologisch bedingte Faktoren
unsere Charakter-entwicklung beeinflussen und uns so auf bestimmte
Denk-, Gefühls- und Verhaltensformen festlegen. Klar ist
auch, dass unser soziokulturelles Milieu
eine wichtige Rolle spielt: unsere soziale Umgebung, die Familie,
der Bildungsstand, die Sitten und Gewohnheiten unserer angestammten
Kultur. Wir wollen hier auf eine ausführliche Darstellung
dieser Ansätze verzichten und verweisen auf ausgewählte
Literatur zum Thema.
Wir wollen einen konkreteren Ausgangspunkt wählen:
Im Gegensatz zur vorher erwähnten genetischen Betrachtungsweise
wissen wir in unserem alltäglichen Umgang mit Menschen häufig
zunächst fast nichts über deren Entwicklung oder Charakter.
Wir nehmen (ebenso wie ihrerseits die andere Person) ein bestimmtes
Aussehen, verbales und körpersprachliches Verhalten wahr
und bilden uns daraus - meist sehr schnell - einen Eindruck.
Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie spontan etwa Verliebtheiten
entstehen können. Dann sagen wir, es hat "gefunkt",
zwei Menschen verlieben sich und wollen zusammen sein, dabei können
sie häufig gar nicht genau sagen warum.
In den meisten Alltagssituationen geht es um Wahrnehmungen, die
sich zwischen den Polen Sympathisch - Unsympathisch
fassen lassen.
Manchmal scheint uns allerdings unser unmittelbarer
Eindruck auch zu trügen: Eine Person
war uns spontan eher unsympathisch, wir hätten sie nie für
eine nähere Verbindung oder gar eine Freundschaft ins Auge
gefasst. Innerhalb einer durch Institutionen aufgenötigten
Beziehung - etwa in der Schule oder im Betrieb - verändern
wir jedoch im Laufe der Zeit unsere Meinung. Wir stellen z.B.
fest, dass diese Person hilfsbereit und nett ist.
Natürlich ist auch das Umgekehrte
möglich: Wir nehmen wahr, dass ein anfangs sehr freundlicher
Kollege sich als extrem ehrgeizig und egoistisch "entpuppt".
Er hatte sich also - zumindest in unserer subjektiven Wahrnehmung
- "verstellt". Es entwickelt sich dann ein sogenannter
Personenkonflikt.
Allerdings kann ein Personenkonflikt
auch ohne eine inhaltliche Konfliktgeschichte entstehen. Was ist
in diesem Falle passiert? Dies kann so gefasst werden:
"In der Regel ist der Auslöser
dann, dass eine Partei auf die andere Vorannahmen
überträgt, die sie aus Beziehungen mit ganz anderen
Personen mitgebracht hat, z.B.
weil die andere Partei sie an eine Person oder Gruppe erinnert,
mit der es auch schon immer Schwierigkeiten gab." (
Müller-Fohrbrodt 1999: S. 39)
Konflikte, die aus der Wahrnehmung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale
und Charaktereigenschaften entstehen, sind sehr schwer zu bearbeiten,
denn dies berührt eine Schicht unserer Persönlichkeit,
die sehr tief liegt und stark von nicht-verbalen, emotionalen
Faktoren geprägt ist.
Als Erwachsener kann man den eigenen Charakter nur noch in sehr
engen Grenzen verändern. In solchen Fällen ist es manchmal
am besten, den Kontakt mit einer sehr negativ besetzten Person
einzustellen. Lehrer/innen setzen Schüler/innen dann auseinander,
Angestellte kommen in verschiedene Abteilungen.
Wie man dennoch auch mit solchen Konflikten
konstruktiv umgehen kann, werden wir im Teil
4 (Konfliktbearbeitung und Konfliktlösung) näher
beschreiben. In solchen Fällen ist es dann meistens
das Ziel, einen weitgehend funktionalen
sachlichen Kontakt zu ermöglichen, also eine
Kooperation zwischen Personen, die sich eigentlich nicht
besonders mögen, bei denen, wie wir sagen, die "Chemie
nicht stimmt". |
3.5 Ursachen von Konflikten

3.7 Scheinkonflikte
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