Ein
Beispiel: Körpersprache in der Politik
"Schröder hat verstanden"
Dem Buch des Politikwissenschaftlers Werner Dieball mit dem Titel
"Gerhard Schröder Körpersprache Wahrheit oder Lüge"
liegt eine Erkenntnis zu Grunde: Wenn Menschen kommunizieren, wirken
zu 55 Prozent die Körpersprache, zu 38 Prozent Tonfall und Stimme
und nur zu sieben Prozent die Worte.
Zentrale Frage war für den 26-Jährigen,
wie Schröders Körpersprache zu dessen Erfolg beigetragen
hat. Er hat Bücher und Artikel untersucht und 14 Stunden
Video-Material analysiert.
In einer Viertelsekunde entscheidet ein Mensch über Sympathie
oder Antipathie, danach gibt es keine großartigen Veränderungen
mehr, berichtet Dieball.
- 1978 hat der Juso-Chef Schröder, dem Zeitgeist folgend, längere
fettige Haare, trägt Karo-Sakkos und Rollkragenpullover. Seine
rechte Hand - die Verstandes-Hand im Gegensatz zur linken Emotionshand
- zeigt bereits den "drehenden Schnabel". Dabei legt er
den Zeigefinger über den Daumen.
- 1979 ist Schröder in einem Interview mit dem damaligen CDU-Vorsitzenden
Helmut Kohl "asynchron": Seine Stimme klingt selbstbewusst
bis arrogant, er grinst zuweilen spöttisch. Doch er verschränkt
die Arme als Barriere, als imaginären Schutzwall. Auch gestikuliert
er nicht - "auch eine Art Hemmung", sagt Dieball. "Er
hat sich noch nicht gefunden." Im gleichen Jahr hat er auf
dem SPD-Parteitag bereits sein joviales Schmunzeln.
- Auf dem Mannheimer Parteitag 1995, auf dem Rudolf Scharping als
SPD-Chef abgewählt wird, ist Schröder wegen seiner Wirtschaftspolitik
umstritten. Er greift fest das Rednerpult und nimmt mit einer "Brüstungspose"
eine drohende Haltung ein. Doch er ist "noch nicht der Medienmensch",
meint Dieball, sondern wirkt "wie ein angeschlagener Boxer
im Ring".
- 1998 im Bundestagswahlkampf ist der Kanzlerkandidat "total
abgeklärt, schon Medienprofi", sagt der Wissenschaftler.
In seinem Buch heißt es dazu: "Der 'Inszenierungsartist'
Schröder weiß genau wo, die Kameras stehen, in die er
lächeln muss, damit die potenziellen Wähler positive Bilder
geliefert bekommen. Es ist ein unaufdringliches, souveränes
Lächeln. Durch die Gabe, herzlich und ansteckend zu lachen,
gewinnt er Wählerstimmen."
- Als Bundeskanzler musste Schröder das Image des "Medienclowns"
loswerden, der Zigarren einer gewissen Marke raucht und Anzüge
eines bestimmten Fabrikats anzieht. Plötzlich trägt er,
wie auf dem Parteitag 1999, eine Brille - als "Ersatz-Klammer-Instrument",
wie Dieball meint.
Unverändert blieb an Schröder bis heute sein souveräner,
raumgreifender, dominierender Gang. Noch immer dominiert seine rechte
Hand, beherrscht also der Verstand das Gefühl.
(Quelle: www.n-tv.de. 30.6.2002, gekürzt)

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